Von Jean Paul an Adolf Heinrich Friedrich (ab 1808) von Schlichtegroll. Bayreuth, 29. November 1807.

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Brieftext

Bayreuth d. 29. Nov. 1807

Mein theuerer Bruder! Ich bringe heute nichts zu dir als eine
Bitte um 40 oder 50 Schritte, die du für mich thun sollst und die in
ganz München niemand für mich thäte, es müßte denn H. Kunst- und
Buchhändler Scherer sein. Allein eben zu diesem bitt’ ich dich, zu
gehen. Ich gab ihm eines meiner lustigsten Werkchen zum Verlage:
„Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz, sammt einer Beichte
des Teufels bei einem Staatsmann.“ Seine Handels Weise in
Briefen gefiel mir sehr und der Vertrag war leicht gemacht. Aber
von den beiden Artikeln, mir in der ersten Hälfte des Oktobers die
erste Hälfte des Honorars zu senden und in der ersten des Novembers
die zweite, ist noch nichts gehalten, ungeachtet ich schon einmal
darüber geschrieben. Ich bitte dich also — und dieses Blatt sei
deine Vollmacht — fodere ohne Weiteres mein Manu
skript für mich zurück;
ausgenommen in 2 Fällen nicht; wenn
entweder Geld schon unterwegs oder bereit oder wenn der Druck
schon vorgerückt wäre. Im letztern Falle wäre die schnellste Erfüllung
der zwei Hauptartikel unsers Kommerzienvertrags desto mehr
dringend und Pflicht. Mit Unbestimmtheit und Wartenlassen kann
man mich in einem Schaltjahr 366mal umbringen. Ich begreife
zwar leicht, daß man in einer Zeit, wo nichts reichlich fließt als Blut,
bei dem besten Willen mit dem Herbeischaffen der gekrönten Köpfe
in Miniatür, die eigentlich die Urbilder regieren, oft zögern müsse;
aber viele zögern — und ich soll doch nicht — und meine Soldaten
wollen auch leben, und wenn ich darüber stürbe.


Ich erkenne das Unangenehme meines Auftrags, Theuerer; desto
größer ist mein Dank, so wie mein Wunsch, du möchtest auch mich
mit etwas Unangenehmen beehren.


Ich kann hier unsern Jacobi nur grüßen und ihm für die köstlichen
Frühlings- und Erstlings-Früchte der Akademie nur danken, ohne
sie hier bestimmter zu loben.

Lebe wol, guter vom Teufel und seiner Großmutter (ich meine
damit mich) geplagter General-Sekretair!


Dein
Jean Paul Fr. Richter

Meinen Jacobs grüße herzlich.


Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 5. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1961.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Goethe- u. Schiller-Archiv, Weimar. 4 S. 8°. K (nach Nr. 436, von Karolinens Hand; nur der Satz 181,10 desto bis 12 beehren. eigenh. eingefügt): An Schlichtegroll Münch. 30 [!] Nov. J 1: Denkw. 3,152 ×. J 2: Nerrlich Nr. 108, fälschlich unter die Briefe an Otto aufgenommen, s. Euphorion XV (1908), S. 570. B: IV. Abt., V, Nr. 143. A: IV. Abt., V, Nr. 150. 180, 34f. wenn entweder] aus wäre H 181,8 viele] aus andere thun H 15 bestimmter] davor gestr. näher H

Das Datum von K scheint zu stimmen, s. 182, 13. Schlichtegroll sandte am 11. Dezember das Manuskript des Schmelzle mit einem (nicht erhaltenen) Brief Scherers zurück. 181, 8 meine Soldaten: die Einquartierung, s. 182, 14. 20 Friedrich Jacobs, den Jean Paul von Gotha her kannte, war seit Anfang November 1807 als Professor am Lyceum und Mitglied der Akademie in München.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/V_433.html)