Von Jean Paul an Wilhelm von Roeder. Bayreuth, 29. Februar 1808.
Brieftext
Abgeschickt d. 20 März
Wenn der Schriftsteller zuweilen aus Büchern, so ist auch der
Briefsteller aus Briefen zu errathen; und der Ihrige gab mir die
Freude, daraus, wenn ichs Ihnen geradezu ins Gesicht —
schreiben
soll, ein wahrhaftes und schönes Herz zu
errathen. Und dieß sei
von mir brüderlich empfangen! — Ihr
Stand, Ihr Kriegs- und
Ihr Residenz-Getümmel macht es sonst
eben nicht leicht, die Musik
der Poesie gleichsam unter
Kanonen und Stürmen zu vernehmen;
desto leiser ist das Ohr, das
sie dennoch hört. — Unsere erfreulichsten
Töne kommen jetzt
(vor der Hand und Zeit) von keinen andern
Höhen herab als (wie die Schweitzer-Kuhreigen) von den
Musen
Bergen. Innigst erquickt hat mich Ihr Wort, daß Ihr
deutscher
Bruder, eh’ er für Deutschland gefallen, durch meine
Werke einige
über den Lebens-Dampf erhebende Stunden empfangen. Man ist
schon froh, wenn man auch nur dem gemeinsten Todten ein Paar
lichte und warme Lebens-Minuten hat vor seinem letzten Gange
mitgegeben; wie viel mehr, wenn man einem edeln Geiste, eh’ er
sein
Leben opferte, dasselbe versüßt hatte. Daher,
wenn ihn meine Werke
sogar zum Tode hätten begeistern helfen,
ich würd’ es nicht bereuen.
Haben Sie Dank für Ihre Theilnahme an meinem Innern!
Schreiben
Sie mir, so oft Sie können! Bleiben Sie so, wie Sie mir
erscheinen! Und das äußere Leben begleite und beglücke, so weit es
kann, Ihr inneres!
N. S. Vergeben Sie mein Ausstreichen, sogar in der N. S. Da
ich jeden Brief schnell hinschreibe ohne Konzept, so daß der Leser die
erste Auflage bekommt, so muß ich bei dem Nachlesen die
zweite
hineinkorrigieren.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/V_489.html)