Von Jean Paul an Johannes Perthes. Bayreuth, 6. März 1808.

Zum TEI/XML DokumentZur originalen Webseite

Brieftext

Kopie
[ Bayreuth, 6. März 1808 ]

Nach Empfang der 50 Ld. — weil ich in meiner Vorschule kaum
¾ meines ästhetischen Wissens niedergeschrieben, in das mir ja jede
Morgensonne neues Licht wieder zugeworfen — Sie, mein Ge
wissen
und mein Kunstwerk machen hier das Dreiheits Kollegium.
etc. Mein Gewissen — die neuen Einflechtungen und Impfungen
würden den alten Garten zu sehr in Schatten setzen durch den neuen
für Käufer. — Mein Kunstwerk — ihm bleibt besser die Jung
fräulichkeit des ersten Gusses und dessen vierte Nachkommenschaft
komme ihm eben nur nach ....


Gott gebe, daß die (Friedens) Predigt von Patrioten verstanden
werde, weniger aber von Wider-Deutschen. Jetzt leider ist man ge
rade zu an die Umkehrung beider Verständnisse gewöhnt. — In
Frankfurt am Main und in Hamburg müssen 2 Unparteiische fast
entgegengesetzte, folglich gegenseitig-parteiisch-erscheinende Urtheile
fällen. Aber was gibt mir denn eine Hoffnung einer größern Un
parteilichkeit? Zeit-Nutznießung gewis nicht — denn der Autor ver
lor und der Bürger hatte Einquartierung —; folglich kann blos ent
scheiden — obwol ohne Nachtheil des Handels- so wie des Schreib
Mannes —, daß der Schreibmann, stets erst vom Allgemeinen und
Weitesten herabschauend und herabkommend ins Dichte der Wirk
lichkeit, dieses als köstliche Zugabe und Farbengebung seines
Aethers, wo es weder donnert noch schneiet, ansehen muß. Er
flüchtet nicht vom Ideal zur Wirklichkeit, sondern jenem wird durch
diese, die er sogar entbehren könnte, neues Feuer untergelegt.
Hingegen der Geschäftsmann geht den entgegengesetzten Weg hin
aufwärts und flüchtet wirklich vom Festen und Dichten, wenn es
wankt und fließt, hinauf zum Allgemeinen und die dichte kleine
Gegenwarts-Knospe — jede Knospe ist klein und fest — muß sich
ihm oben weich und weit auseinanderblättern, ja ins Weite ver
duften; und da in dieser Höhe für ihn das bestimmt Gute wie Böse
verschwindet, so bekommt er weniger als der Schreibmann, der
aus seinem unbegränzten Himmel in den engsten herabfährt.
Handels- und Schreib-Männer müssen sich denn gegenseitig aus
gleichen und erstatten.

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 5. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1961.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

K: Perthes Hamburg 6. März. i: Denkw. 3,171×. B: IV. Abt., V, Nr. 158. A: IV. Abt., V, Nr. 181.

Perthes hatte 50 Friedrichsdor gesandt als Nachzahlung für die Ästhetik (s. IV. Abt. (Br. an J. P.), V, Nr. 102). Jean Paul entschloß sich später doch, die Nachträge zur Ästhetik in die 2. Auflage einzuschieben. Perthes hatte weiter geschrieben: „Meine Hoffnung und mein Muth für uns ist mir nicht verschwunden seit meinem letzten Brief an Sie, er ist nur noch lebendiger geworden! Sie antworteten mir damals nicht befriedigend, Ihre Ansicht schien mir nicht die richtige! [vgl. Nr. 171†] — Ich glaube wir haben uns genähert, weil mir der letzte Staubbach, dessen Schwäche ich nicht ganz kannte, und weil Ihnen Nationalkraft, wie mir scheint, etwas reeller geworden ist! — wenigstens verlangen Sie, man sollte deutsche Kinder erziehen“. (Im Morgenblatt v. 31. Dez. 1807, s. I. Abt., XVII, 164,9.) 203, 2 Frankfurt a. M.: damals Residenz des Fürst-Primas Dalberg, also Zentrum des Rheinbundes.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/V_495.html)