Von Jean Paul an Johann Ludwig Heim. Bayreuth, 19. Juli 1808.
Brieftext
Mein unvergeßlicher Berg- und Geheimer-Rath! Ihre größte
Sünde
war — denn die kleinern mag der Teufel zählen und er
wird es
auch thun —, daß Sie schon vor so vielen Jahren in die
Welt traten; (Sie thun eben alles schnell). Jetzt würde ein Feuer
kopf wie Ihrer in unserem Deutschland und
in der ganzen brausenden
Zeit sich höher verzinsen und in diese kräftiger und
heilsamer ein
greifen als in die damalige
abgegohrne. Nach meinem Sinne müßten
alle rechten Köpfe heute
erst ihren zwanzigsten Geburtstag feiern;
was könnte nicht
werden, da eben in stürmischem Wetter die Pflanzen
am
schnellsten wachsen?
Ihr köstliches Tischgebet hat mich sehr erfreuet, ob ich mir gleich
dabei mehr als der Braten vorkomme denn als der Herrgott,
wie
wol dieser auf katholischen Altären
auch nichts ist als ein Ge
backnes.
Könnt’ ich nur ½ Stunde mit Ihnen über das politische Jetzt
sprechen oder vielmehr — denn ich thu’ es zum Theil in der Friedens
predigt — Sie darüber hören! Ich
will aber darüber gar nicht an
fangen,
zumal da die andern darüber gar nicht aufhören.
Antonie habe ich wegen ihrer schönen Seltenheiten herzlich
lieb
gewonnen, ungeachtet einiger Seltsamkeiten. Sie verdient
die
Erfüllung des Wunsches, den Mann öfter zu sehen, der
sonst im
Kamisol über die Straße zu mir
galoppierte.
Ich grüße unsern Hofrath und unsere Hofräthin Heim. Wenn,
wie man mir schreibt, ein Bayreuther Bierbrauer bei Meiningen
ist,
folglich auch ähnliches Bier, so wär’ ich noch im Stande, im
Kriege
dahin zu ziehen; Schellings Werke würde mir der
Hofrath liefern,
holländischen Käse die Frau und einen L’hombre-Spieler
von
Geheimen-Rath Sonntags beide.
Ich grüße herzlich Ihre kunstreiche Tochter und Wagner.
Leben und reiten Sie wol.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/V_548.html)