Von Jean Paul an Ferdinand Beneke. Bayreuth, 1. September 1808.
Brieftext
Ihre Liebe und Ihr Geist haben mich erfreuet und erquickt. Es
thut sehr wol, einen Mann Ihres Fachs zu finden, der über dasselbe
hinaus so viel Umblick, Theilnahme, Sinn für das
Außerweltliche,
und poetischen und philosophischen hat.
Nichts fruchtet dem ganzen
Menschen mehr als ein solches
Schreiben und Lehren, wobei man blos
selber allein der Leser
und der Schüler ist; hier arbeiten Lehre und
That einander in
die Hand und kein Zug nach aussen verfälscht oder
entkräftet die schöne Wechselwirkung.
Ich bin mit Ihren meisten Ansichten einig, besonders über Gottes
dienst, Thiere, Weihnachtsfreude und die Pyramide. In dieser,
als
einem Lebens Throne, treffen Sie mit vielen Jetzigen
zusammen;
nur liegt der Knoten und das Wunder in den
Übergängen; um etwas
vom Leben zu begreifen, muß man
geradezu es überall, auch in der
tiefsten Tiefe annehmen.
Ihre Papiere wohnen sicher bei mir, bis sie ihr Vater zurück
ruft.
Der gesunknen Religion hilft schwerlich irgend ein Wille auf —
wiewol doch jeder einzelne für sie zu arbeiten und zu säen
nicht laß
werden darf —; aber da auf der andern Seite die
Menschheit ohne
das Athmen dieses Aethers nicht bestehen kann:
so dürfen wir durch
aus auf große Eingriffe
des Schicksals — wie die Reformazion z. B.
war — rechnen und
hoffen. Himmel! wir können jetzt kaum die
nächste
politische Zukunft weissagen, wie viel weniger die religiöse. —
Ich werde einiges darüber in einer Fortsetzung meiner Friedens
Predigt sagen.
Ich grüße herzlich Ihre Gattin, welche der Liebe eines solchen
Mannes würdig sein muß, weil sie deren sonst nicht
theilhaftig wäre.
Es gehe Ihnen beiden wol!
Jean Paul Fr. Richter
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/V_561.html)