Von Jean Paul an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 28. März 1805.

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Brieftext

Bayreuth d. 28 März 1805

Hier die zurückmüßende Narkotik, die Sie aber für nichts sehr
halten müssen, da ich sie nach Spaziers Tode im ersten Schmerze
gemacht, im Schmerze darüber, daß ich sie machen müssen. — Das
Freiheitsbüchlein bringt Cotta der Welt und Ihnen, Weltstäubchen,
zur Ostermesse. — Schnee, Freund, regnet es jetzt vom aufgegangenen
Frühlingshimmel, und dieß heißt Deutschland Lenz. Gott! wie
wohnen Sie! Ich wollte, Sie lüden mich feuriger ein und lichteten
vorher den Spessart sammt den Spitzbuben.

— Jacobi geht diesen Frühling nach München als Akademiker;
folglich seh’ ich den einzigen Ungesehenen noch, dem ich über der
Erde ins Auge schauen will. Hinter der Erde gibts freilich mehr
zu sehen. —


Emma und Max stehen auf einem Köfferchen neben meinem
Schreibtisch und sehen zu und ich nach — Hätt’ ich mehr Papier:
so käme mehr darauf. — Guter Bekannter, haben Sie keinen in
Frankfurt, der für Sie (und Sie für mich) 25 Glas- oder holländische
Federn à 24 gr. kauft? Ich würde danken. — Mein Geburtstag ist
vorbei und ründete mich zum 42ger. Leben Sie wol!

Jean Paul Friedrich Richter

[ von Karoline ] Lieber guter Thieriot! Es geh’ Ihnen gut!

Noch leg’ ich zum Zurückschicken bei: zwei Siegelvorschläge;
die fünf Direktoren der hiesigen Harmonie ersuchten mich darum.


„Hast du denn nicht geschrieben, daß ich gerade heute mit den
Kindern in seiner (geheitzten) Stube war?“ fragte meine Frau.
„Diese Lumperei?“ fragt’ ich und nichts darnach fragend.


Der anomalische Imperfekt-Imperativ von Nehmen heißt
nicht nahme, sondern nahm, so wie man sagt gib, nicht gebe oder
gibe.


Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 5. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1961.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Berlin Varnh. 213 (derzeit BJK). 2 S. 8°; überschrieben: An H. Thieriot. *J: Denkw. 1,460×. B: IV. Abt., V, Nr. 35. 32, 2 Bayr. aus Bair. 28] aus 19 aus 18 3 zurückmüßende] nachtr. 5 im Schmerze darüber] aus darüber nämlich 8 heißt] aus heisset 9 lichteten] aus hieben ... aus 12 dem] den 13 mehr] aus viel 18 der] danach gestr. mir Sie1] aus mich 20 wol] aus wohl 25 gerade] nachtr. 27 nichts] davor gestr. u. fragte

32,3 Narkotik: der Aufsatz „Die Kunst, einzuschlafen“ aus der Zeitung f. d. elegante Welt, um den Thieriot in einem Brief an Emanuel vom 20. Febr. 1805 gebeten hatte; s. FB Nr. 18. 8 Frühlingshimmel: Thieriot hatte von dem schönen Frühlingswetter in Offenbach geschrieben. „Wo wart ihr heute, den 13ten, den blauen Mittwoch? Caroline, Emma, Max, Ottilie?“ 10 Speßart: vgl. I. Abt., VIII, 448,32. 23f. Diese Beilage, 2 S. 4°, befand sich im Besitz von Jean Pauls Urenkel Friedrich Kallenberg in Bayreuth, ist aber nicht mehr auffindbar. Das Faksimile der Vorderseite (s. Tafel nach S. 32) ist der Festzeitung zur 16. Hauptversammlung des Bayerischen Volksschullehrer-Vereins, Bayreuth, August 1905, entnommen; s. auch Allerlei, Beilage zum Baireuther Tagblatt, 1905, Nr. 3, und Euphorion VII, 313 (1900). 28 Imperfekt-Imperativ: Thieriot hatte am 20. Febr. 1805 an Emanuel geschrieben: „Nahme es nicht für Uebermuth und Scherz ... Merke aber den neubacknen Imperativ.“ Vgl. Bd. IV, 132, 10 †.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/V_88.html)