Von Jean Paul an Amalie Gräfin zu Münster-Meinhövel. Leipzig, 14. Oktober 1798.
Brieftext
Ich weis nicht, gnädige Frau, sol ich die Erscheinung oder die Ver
spätung meines Briefes entschuldigen —
mögen Sie beides ver
geben! —
Aber meine Erinnerungen an die zauberischen Frucht- und Blumen
stücke bei Ihnen (aber ohne
Dornenstücke), welche ein schöner Himmel
und eine
Frühlingserde in ihren Rahmen fasseten, und meinen Dank
dafür
hab’ ich nicht verschoben, wie den Brief, sondern bisher oft
wiederholt. Mög’ Ihnen, sanfte helle Seele, auf Ihrem
Lebenswege
kein kälteres und dunkleres Thal begegnen als
ein — Seifersdörfer!
Und mögen Sie dan darin so gute Träume und so gute
Geselschaft
finden als ich im wirklichen! —
Ich habe Ihr gütiges Anerbieten zur Spedizion an Jacobi endlich
genüzt; und ich danke Ihnen im voraus für das
Verzeihen.
In einigen Tagen zieh’ ich von Leipzig weg nach Weimar. Da Sie
gegen so viele Kompasfaden Güter haben: so möge der Weg zu
einem
— ich wolte, zu allen — in den nach Weimar laufen!
Ich bitte Sie, bei dem H. Grafen mein Andenken zu erneuern.
Alles was in mir gut ist und Güte liebt, sagt mit Einer Stimme:
Sie leben froh und über Ihrem Leben stehe kein anderer Himmel
als
der so blau wie der heutige ist!
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_139.html)