Von Jean Paul an Friedrich Heinrich Jacobi. Weimar, 18. August 1799 bis 20. August 1799.
Brieftext
Guter Heinrich! — — Nach dieser Anrede war Herder auf
eine
Minute bei mir. Welcher Zufal! Aber warum bist du nicht
bei mir
mit deinen Briefen? Vergieb diesen als ein Billet,
das dich furchtsam
fragen sol, warum bist du so stil?
Warum, mein Heinrich? — Es ist
Schwäche, das fremde
Schweigen aus eignen Fehlworten und Fehl
gedanken zu erklären; aber die Liebe ist immer schwach,
wenn sie zu
fürchten, obwohl nicht, wenn sie zu handeln
hat. — Doch weist du,
daß ich dich zugleich liebe und
verehre; wie könt’ ich fehlen gegen dich?
— Zuweilen liess’
ich drei Möglichkeiten alternieren oder votieren,
Reisen —
Schreiben — Kränklichsein —
Was es gewesen wäre, sei es nur vorbei!
Eben send’ ich den ersten Band des Titans und das 1.
Bändgen in
den Druk, und mit Furcht, da leider jeder ausspringende
Winkel im
Menschen, der den Strom breiter bettet, einen
einspringenden findet
oder macht. Um nicht die Weiber und
Kritiker durch Extrablätter aus
der Historie zu jagen, bau’ ich jedem Tomus ein dünnes
Bändgen an,
wo ich nichts mache als Spas und vorher
wenigen; wer wil mir dan
in meinem Hausrecht etwas
anhaben? Sag’ es! —
Über die Corday komt in den historischen
Berl[iner] Kalender ein
Epitaphium von mir, das mich zwar das ekelhafte
Nachschlagen in
den durch Blutflecke unleserlichen
Tag- oder Nachtbüchern der Revo
luzion kostete — denn seit einigen
Jahren such’ ich immer weniger von
ihr zu wissen und es
glükt — das aber für mein Herz ein erhebendes
Postament
wurde.
Schlichtegrol sagte mir, daß dein Brief an Fichte gedrukt
werde.
Gott und dir sei Dank! In Jena trugen sie ihn herum als Trophäe
und Ehrenbogen, der diese Philister doch erschlägt. Aber
ich hoffe, du
giebst ihn mit Zusäzen.
— Ach mein Heinrich, mir ist doch als wenn ich nicht recht an dich
schreiben könte, bis ich weis, warum deine schöne Seele
schweigt — —
Hätt’ ich dich nur gesehen! Vor dem
Sehen kent man nichts — Und
hättest du mich gesehen! Du
wüstest dan heilig-gewis, daß ich meine
Geliebten nichts
könte als — lieben; und daß ich recht herzlich liebe,
welches das einzige Wahre ist, was man von mir aus meinen Büchern
schliessen kan; denn sonst wil es in der That nicht viel
sagen, wie ich dir
einmal mündlich beweisen wil. —
Dein Herz schlage leicht, wie eine
Aetherwelle, mein
Theuerer, Theuerer! Und verlas mich nicht,
Heinrich!
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_309.html)