Von Jean Paul an Paul Emile Thieriot. Weimar, 23. Februar 1800.
Brieftext
Ihr Aufsaz ist schon unter der Presse samt einer Note worin Böttiger
Sie um mehrere Beiträge bittet. Diese bitt’ ich künftig nur
an ihn zu
schicken; alzeit aber mit einem Brief an mich und
mit der Erlaubnis,
mir jene holen zu lassen.
Die Prä-Exzerpten und das wandelnde Blat haben mich sehr er
freuet und befriedigt. Aber für
solche Blätter über Früchten haben wir
noch durchaus kein
Publikum. Nur einige geschmeidige Leichtigkeit,
das Oel des
Athleten müssen Sie sich noch erwerben.
Ihr Humisches Zerflattern und Zerfasern ist kein Humisches oder
spekulativisches, sondern ein schädlicher Traum der
Phantasie, in deren
Gewalt alles steht, sogar das
Vorbilden, man sei nicht. Sie dürfen
diesem Spiel nicht
nachgeben; auch aus einem individuellen Grunde
— weil Sie
durch eine zu frühe Saturazion mit Wissen eigentlich
kein
Bedürfnis des Wissens kanten und noch jezt das Sein mehr des
Scheins wegen verlangen. Für Sie ist die Wahrheits-Sonne mehr zum
Genus des Aufgangs, zur Be- nicht Erleuchtung und zum
Abmalen,
als zum Wärmen und Befruchten da. Sie werden —
aber mühsam
und nach vielen Selbsttäuschungen — noch dahin
kommen. — Hassen
Sie die Eitelkeit wie den Teufel der Brust,
den Honigthau der besten
Blüten. — Und schreiben Sie mir
nicht mehr im beschwerlichen Lang
folio. —
Die Würzburger Rezension, „die Sie gemacht haben möch
ten“, hätten Sie besser gemacht und ohne
jene dürftige zertriebene
Allegorie. „Pathetische Raketen,
leuchtende Kugeln der Empfindungen,
Feuerräder der Wahrheit“ —
das kan man alles versezen und Feuer
räder der Empfindung etc. u. s. f. sagen. Nur die ganze Sinnesart
darin ist liberaler als ich bei einem Würzburger Rezensenten
(weil das
eine Tavtologie oder Verdoppelung ist) zu finden
hofte. — Goethe lies
hier den
erbärmlichen Mahomet von Voltaire
geben, woran nichts
gut ist als der Göthesche Vers. — Können Sie mir nicht Fichte
über
die Bestimmung etc. gebunden leihen? — Ich mus zu
meinem Clavis
auch diesen idealistischen Hokuspokus von ihm haben, wodurch
er seine
casa santa in die breiten Lehrgebäude des gemeinen
Verstandes
verstekt. — Mein Clavis hat bei einem grossen Philosophen und Ken
ner der Fichterei so viel Beifal
gefunden, daß ich ihn 2 mal solte
drucken lassen, einmal wie er ist, zum zweitenmal
vergrössert. — Nur
allein das Studium Jacobis kan Sie vom
Jahrhundert heilen. Fichte
erklärt Jacobi für den tiefsten Denker unserer Zeit und sezt
ihn weit
über Kant; ich auch. Leben Sie wohl Lieber und
schreiben Sie mir
bald und viel. —
Das Blätgen ist von Böttiger.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_404.html)