Von Jean Paul an Paul Emile Thieriot. Weimar, lezten v. 1799.
Brieftext
Eh’ ich zur Herzogin Amalie gehe, wo man den lezten Akt des
Säkuls mit einigen andern — von Kotzebue gemachten und von
Liebhaber Akteurs gespielten — Akten feiern und
schliessen wil, kan ich
noch ein Paar Endreime vor
meinem lieben Thieriot machen.
Ich dank’ Ihnen für die Rezension, die für mich wie alle über mich
— die von Jacobs ausgenommen —
eine zarte vis comica hat,
besonders im Loben und Zitieren. Was mein Herz daran
erfrischte,
war die Theilnahme des seinigen; daher Sie
die Beilage nur linde
nehmen müssen. —
Dem einen Herman sagen Sie, daß ich zu Taschenbüchern
nichts
geben könte als eines (und also ihm nichts) — nur meinem
geliebten
Jacobi kont’ ich die Bitte um einen Beitrag nicht
versagen. — Der
andere kan sich nie ändern; aber sein Stand auf Einem
Hügel des
Helikons ist von grössern Alpen und Montsblancs verbauet; seine
Seele spiegelt rein, aber klein wieder; der Rosen-Tropfe
und das
Weltmeer sind Sonnen-Spiegel. Kümmern Sie sich
nicht um ihn,
aber nehmen Sie alles Positive von ihm an.
Die Kälte von Freitag an bis in die künftige Woche hinein wird alle
Wettergläser versteinern. Ernstlich man ist des Lebens kaum
sicher
bei dieser Aussicht.
Meinen Clavis lass’ ich vielleicht abgesondert drucken;
man rieth
es mir der weitern Wirkung halber.
Nent das Gerücht eine aus Eisenach, für die ich auf
Freiers Fersen
auftrete: so lügts.
Vom Titan komt zu Ostern ein dicker Band und ein Bändgen.
— Schreiben Sie doch einen Roman von einem Virtuosen der ein
Jurist wird — bringen Sie individuelle Züge hinein — es
wird kein
individuelles Bild (denn in die Poesie ist kein
Wirkliches zu verpflanzen)
— mischen Sie ein
sentimental[isches] Verhältnis hinein
— fügen Sie
Ihre satirischen und humanistischen Fechser
bei: — es wird etwas, (sei
es auch nach einigen Jahren) und wenn es so ist, wie Sie
es machen
können, so schreib’ ich eine Vorrede dazu, mein guter
Paul! Leben Sie
warm und höher-sehnsüchtig in dieser niedrigen Leipziger Zeit! —
Grüssen Sie die Feinds.
[Rezension von „Jean Pauls Briefen“ in der Erlanger Literaturzeitung,
7. Aug. 1799, Nr. 154]
Auf der Rückreise von der Leipziger Messe nach Weimar, dem jetzigen Wohn
oder Aufenthaltsorte des genialischen
und originellen Verf., schrieb er dieses sein
letztes
Werk in diesem Jahrhundert. Unbefangene und neidlose Leser und Recen
senten werden auch in diesen neuesten
Explosionen des reichhaltigen Genies nichts
von dem vermissen, was ihn ganz eigentlich und,
abgesehen von Annäherungen mit
ähnlichen anderer
Nationen, charakterisirt. Witz, Gelehrsamkeit, Feinheit der
Empfindung und scharfe satirische Züge laufen im leichten Geäder durch diese
ganze
Dichtung. Unter den Briefen zeichnet sich das
Testament für seine künftigen
Töchter und der an seinen,
auch künftigen, Sohn Hans über die Philosophie aus,
welcher letztere mit einer Lobrede auf Herder schließt.
Wenn die Einweihung
Jean Pauls in den Hutorden und die Beschreibung des
Kuhschnappler dejeuner
dansant
dem Leser das Lächeln der Zufriedenheit und Aufheiterung abzwingt; so
entlockt vielleicht, ja sicher eben demselben, hat er
Gefühl und Empfänglichkeit, der
Schwur der Besserung u.
a. Aufsätze ernster Natur, die Thräne der unwillkühr
lichen Rührung. Wer wird nicht, wenn er in der letztern
Hälfte des Buchs den
künftigen Lebenslauf des Verfassers mit inniger
Theilnahme (wie Recens.) zu
Ende gebracht, herzlich und theilnehmend
wünschen, daß ihm das schöne und be
scheidne gewählte
Loos in den Armen einer Rosinette Hermine, wie er sie lebendig
und schön
darstellt, seiner künftigen Gattin auf irgend einem Gütchen, Mittel
spitz, zu Theil werde. Hier nur noch einige Züge aus
diesem Buche eines Mannes,
dessen Werth nun endlich nicht blos Wieland, Göthe und Herder (nebst
einigen
wenigen Recensenten) sondern die Nation anerkennt, der er angehört.
Seine Briefe
leitet er folgendermassen ein: ... [Folgt eine Stelle aus der
Vorrede, dann eine
aus dem Brief an Hans.]
Rezensent kündigt mit Vergnügen dem Publikum dieses 1⅓ Ko
lumne starke kritische Werkgen an. Der Verf. hat die
Materie ganz
in seiner Gewalt und hegt gute Absichten.
Aber wenn werden einmal
unsere rezensierenden Genies
anfangen, sprach-kritische zu werden?
Wir heben aus
Mangel an Raum — denn die zweite Seite ist schon
beschrieben — nur folgende Sprachwidrigkeiten aus, die vielleicht der
Verfasser selber aus einer 2ten
Auflage wegräumt. Zeile 3. und 4.:
[295]
„originellen Verf. schrieb er“ das klingt so wie das: auf der Rükreise
des Vaters schrieb er (der Vater). — Zeile 6. diesen stat
den; oder
„neuesten“ ist überflüssig. —
„Annäherung mit“ stat an — „im
leichten
Geäder“ st. in leichtem — „welcher leztere“
wer, Hans oder der Brief
— „ja sicher eben demselben“ schleppend — „hat er
Gefühl“ trocken
und hart bei weggelassenem Wenn. —
„bescheidne gewählte“ stat
bescheiden — „nebst einigen
wenigen Rezensenten“ (die man sehr richtig
an das
genial[ische] Trio anschlos) gehören denn die andern nicht zur
Nazion, die den herlichen J. P.
anerkent? — Der 2te Auszug aus dem
Brief an Hans steht ja nicht in der Vorrede und leitet
nicht ein. — Sonst
erhebt die Rezension sich weit über ihresgleichen.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_372.html)