Von Jean Paul an Johann Wilhelm Ludwig Gleim. Weimar, 9. März 1800.

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Brieftext

Weimar d. 9. März 1800.

Geliebter, verehrter Vater Gleim! Wie kan ich Sie nach dem
lezten Blatte in den „Blumenstücken“ und nach dem lezten Blatte,
das Sie mir geschikt, anders nennen als Vater? — Und so nante Sie
mein ganzes Herz, als ich von Ihnen im Wagen mit einem von Dank
barkeit, Liebe und Hochachtung aufgelösten Herzen von dem Ihrigen
schied! — Überal nenn’ ich Sie den Deutschen, wie man Friedrich, den
Einzigen nent; und in unserer Zeit sind leider Deutsche auch Einzige,
wie Friedrich.

In einem Monat werden Sie auf einmal 1 Buch und 2 Büchelgen
von mir erhalten.

Ich verändere mit meiner geistigen Lage auch meine geographische;
und gehe aus Weimar weg; aber mit einer wunden Brust vol Blut,
weil ich meine guten Herders verlasse und nie mehr finde; und weil ich
künftig kaum jemand noch halb so lieben kan wie diese Geliebten. Wir
sprechen so oft und so einig von unserem Gleim. Er vergisset die Deut
schen nicht und kein guter ihn!

Lebe froh, edler Man! Dein Lebens-Nachsommer sei dir ein Nach
frühling! Dein unaussprechlich-redliches Herz finde immer eines, das
antwortet und es werde nie getäuscht! Und wie spät ich auch sterbe und
wie sehr ich mich auch noch ändere: ich werde immer und in der lezten
Minute sagen: meinen Gleim hab’ ich herzlich geliebt und hochgeachtet!
— Und kein Herz vergisset ihn!

J. P. F. Richter

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 3. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1959.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Gleimhaus, Halberstadt. 4 S. 8°. K (nach Nr. 417): Gleim d. 9. März. J: Körte×. (Wiederabgedr. Denkw. 3,49×.) i: Wahrheit 6,120. B:IV. Abt., III.2, Nr. 323. A: IV. Abt., III.2, Nr. 342. 303,27 von2] aus in H 30 Deutsche] aus dieDeutschen H 35 wunden] nachtr. H 36 verlasse und] nachtr. H 304,1 halb] nachtr. H

303,25 Das „Intelligenzblatt der Blumenstücke“ mit dem Dank an denanonymen Spender (I.Abt., VI, 411f.) stand in der 1. Auflage am Schlußdes letzten Bandes. Jetzt hatte Gleim wieder eine Anweisung über 500 fl.als Beitrag zu den hochzeitlichen Ausgaben geschickt und sich dafürvon jedem künftigen Werke Jean Pauls ein Widmungsexemplar ausgebeten; Richter solle aber nie etwas davon erwähnen und ihm keineGeheimnisse schreiben, da er sich wegen seiner Augenschwäche Briefe vorlesen lassen müsse. 32 Den 1. Band des Titan, den Anhang dazu und denClavis.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_415.html)