Von Jean Paul an Johann Georg Jacob von Ahlefeldt. Weimar, 3. Juli 1800.
Brieftext
Noch immer und glänzender schimmert das Bild deiner Geliebten
in meiner Brust, vol Sehnsucht euch beide wiederzusehen, erreichte
ich zwar ein schöneres, aber kein glüklicheres Land; denn
ein Heimweh
zieht mich zu dir und deiner Henriette und meine
ehemaligen Ruhepläze
in unserm Park sind keine mehr für mich.
— Sage das der blauäugigen
sanften Seele, die aber
soviel Energie als Weiblichkeit besizt und bei
deren Gesang man gern die Disharmonien des Lebens vergist.
Wenn
der Herbst seine Nebel über die bleichere Flur zieht
und wir geizig die
laueren Tage, weil sie die lezten sind,
geniessen, dan flieg ich aus
meinem kalten Weimar an euere
heissen Herzen und freue mich auf die
erste Traumnacht
in meines Bruders Hütte und gehe ein in das Haus
deiner Ewiggeliebten, um, im Doppelglanze des Wiederfindens,
die
zwei Vormittage, welche in meiner Seele, wie zwei
Landschafts
gemälde von Claude Lorrain glühen, noch einmal zu erleben und auf
ihre Fortsezung und Wiederholung mich innig zu freuen. — Nim
dieses
Blat nur als Vorrede zu einem längern und küsse die
Geliebte und
vergis nicht, daß deine Briefe mir deine
Abwesenheit ertragen helfen
müssen.
dein
J. P. F. Richter
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_481.html)