Von Jean Paul an Johann Georg Jacob von Ahlefeldt. Weimar, 12. Juli 1800.
Brieftext
Mein geliebter Hans! Ich wolt’ ich hätte dich an der
Hand. Ich
sehne mich sehr nach dir und nach den Tagen, die
uns von Lustort zu
Lustort führten, wohin auch die Lippe
gehört. Nach Wörliz vor die
auf allen Seiten geöfneten Himmel hätt’ ich dich durch die
Luft zaubern
mögen und auch vor die 4te
Meier, die ich auf meinem Wege nach
Berlin in den Wagen mitnehme. —
Da du mehr epistolarische Musse hast als ich: so wende sie für mich
an und schreibe mir 10,000 Fakta, arbeite aber die Mémoires wie ein
Buch, in mehreren
Tagen aus. — Grüsse die Levi und frage Sie,
wenn sie den Fehler begeht, nach Frankreich zu gehen, und die
Tugend,
nach Weimar zu kommen. — Sage mir
immer, ob mir die Berliner
so gut sind als ich ihnen und was sie schwazen. — Denke
ernstlich an
das Bauen einer Hütte für mich, einer
Nadelbüchse für den dünnen
Satiriker. — Sei lustig — Und
hoffe; deine gute Henriette wird dir
die Abwesenheit reich vergelten. Meine Seele dankt
ihrer für ihren
holden Nachhal, den sie so weit zu mir
fliegen lies. —
Ein Wort des Gewissens über die berl[iner]
Ernestine! Im Briefe,
den sie mir an die Dessauische Schwester mitgab, spricht die
Arme von
ihrem neuen Glük, zwar jungfräulich, aber sehr bestimt. Es
scheinen
also alle deine angestrengtesten Versuche,
ihr ihren Irthum zu nehmen
— so oft du sie auch wiederholest
— ihn blos befestigt zu haben. Aber
ernstlich! martere die
schöne Seele nicht. In deinem Falle, da du schon
eine
gefunden, ist dein Verdienst leichter. Doch ist auch deine Schuld
leichter; denn die Dessauer Schwester, die mir alles
vertrauete, sagte
mir, sie habe sich öfters
getäuscht.
Oertel war einige Tage hier. — Wenn du wieder bei den Meiers
einen angestrengten Versuch der détromperie machst, Alter: so ge
denke meiner bestens, nämlich des, daß ich aller bestens gedenke und
mich nach den warmen Herzen mit meinem sehne. — Sobald ich
von
meiner Cidevant-Braut meine
Briefe wiederhabe: solst du aus
diesen die volendete Rechtfertigung meines Betragens
lesen. — Dein
Köhler-Rok wird hier nicht verschwendet, sondern
selten angethan; er
mus für Königinnen, höchstens Fürstinnen
aufgehoben werden, ob er
mich gleich wie ein schwarzes Kästgen
den Diamant, so ungemein
hebt. —
Deine Reichardschen Lieder die ich selber habe, sing’ ich jezt (wenn
Krächzen so zu nennen ist) mit süssen Erinnerungen deiner
Töne. —
Lebe wohl, mein Theuerster! Wir werden uns immer
lieben. Ich habe
bei keinem Freunde — höchstens Otto
ausgenommen — diese Leichtig
keit des Zusammenseins gefunden als bei
dir. Lebe seelig!
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_487.html)