Von Jean Paul an Karl Ludwig von Knebel. Weimar, 14. Juli 1800.
Brieftext
Mein theuerer Freund! Eben komm’ ich von Ihrer lieben Frau, die
mir die schöne Hofnung Ihrer Erscheinung bei uns, gegeben.
Der Tag,
wo ich Sie und die Ihrigen und Herders auf einmal in Weimar
sehe,
wird dieser Stadt — die längst bei mir dekrepitiert und
abgeknistert
hat — wieder den Silberglanz umthun, in dem
sie vor mir bei dem
ersten Anblik stand. Ich bitte Sie daher,
mir den Tag Ihrer Ankunft
zu schreiben, damit ich nicht
verreiset sei.
Die Berliner Reise gab mir viele Freuden und Freunde; man gab
mir Schauspiele, Klubs, Herzen und alles und ich glaubte
nicht so
geliebt zu sein. Ich ziehe daher im Herbste für den ganzen
Winter aus
diesem Isolierschemel nach Berlin.
Aber, Bester, wie konten Sie Eine Minute lang mein Schweigen —
unter der Reise — für eine innere Erkältung nehmen? Eine
gegen Sie,
mit dem ich über alles so einig bin, komt in
meinen Aequator nie.
Ihr Urtheil über den Titan — das eines Mannes, der der
Haus
freund der Alten ist — erfreuet mich
sehr. Ich komme wieder mit
meinem alten Wunsche einer Rezension. Beim Himmel! wenn
mich
Städte belohnen, so verwunden mich Universitäten und mein
Ekel vor
den rezensierenden Gelehrten geht bis zur Verachtung.
Warum sollen
denn immer nur Zungen sprechen, und nicht irgend
einmal Köpfe? —
Leben Sie wohl, Theuerer, in Ihrer kurzen Einsamkeit — ich freue
mich auf ihr Ende — und glauben Sie an Unveränderlichkeit!
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_488.html)