Von Jean Paul an Emanuel. Leipzig, 27. Februar 1798.
Brieftext
Mein geliebter Emanuel!
Wie geht und flieht das Leben so schweigend hin! Werden nicht die
Menschen einander nur zu transparenten Gedankenbildern? Ach
mein
innerer Mensch strekt schon lange und immer
sehnsüchtiger seine Arme
wie der äussere nach Ihnen aus. —
Schreiben Sie mir gewis, wenn
und in welcher Meswoche Sie
kommen. Ferner schreiben Sie mir recht
lange
Nachrichten von Ihrer Lage, Gesundheit, Freude und Aussicht —
und recht genaue von unserer Seelenschwester, Renate, über deren
Leid und Freude alles schweigt.
— Die Menschen sind die Schüler ihrer Veränderungen; aber diese
sind mehr Lehrer für den Kopf als für das Herz. Meine Kentnisse
wurden sehr durch meine neue Lage geändert und gemehrt;
meine
Empfindungen blieben.
Oertel achtet Sie unbeschreiblich und ladet Sie herzlich unter seine
häuslichen Freuden ein.
Ich habe seit 2 Tagen 12 Briefe geschrieben. — Sie rechnen zu
genau und schreiben nur Zug um Zug.
Herzliche Grüsse und — wo es geht — Umarmungen an unsern
Schäfer, Elrod und an die Kropf.
Immer mit alter, heisser, sehnsüchtiger, achtender und unsterblicher
Liebe
Freund
Richter.
Lassen Sie doch gütigst nachfragen, wenn der Fabius
cunctator
Lübek die 2te Edizion des Quintus
Fixleins in die Welt einschiebt.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_66.html)