Von Jean Paul an Christian Otto. Leipzig, 15. November 1797.
Brieftext
Lieber Otto! Ich wil erst Antworten geben und dan neue kausieren.
Erstlich den innigsten Dank für dein gutes Packen: das Barometer
und der Hut sollen Leipzig nicht sehen. Ich habe mich wie eine
Schlange
nur fragmentarisch herein gezogen: jezt bin ich ganz
hier. — Ich nähe
alle Oktavbriefe zu einem Oktavbuch
chronologisch zusammen zu
deinem Gebrauch — und so Quartsachen.
— Mit der nächsten Bücher
lieferung schick
ich dir das Geld für Herman und die Leinwand und
18 gr. zu einer Schreibtafel von 12 oder 16 weissen Blättern,
die du
mir vorher mit den nächsten Büchern sendest. Sie
sol weis und
ohne Korkzieher und das
etwas sein, wie meine unter wegs verlorne.
Hier kostet eine mit
4 gelben Blättern 1 rtl. 16 gr. — Das abbrevierte
Journal
deiner prolongierten Reise lässet mich über vieles im Dunkeln,
so fröhlich und phosphoreszierend-schön es auch ist. — Ist mein
Zyniker Spiz noch im Herold[schen]
Hause angestelt und darf er mit
bellen? — Da der Teufel doch einmal Eine Frau holet, nämlich
unser
Georg: so bin ich froh, daß es keine bessere ist; ich find’
ihn wenn ich
ihn durch denke, immer falber und welker. Er hat von seinem
Vater
nicht die Originalität, die Neigung zur Philosophie und zu
Wissen
schaften; sondern einen
gemeinen Geldhunger. Die Heirath nimt ihm
noch die magnetische
Exaltazion. — Über die Konzilienakten sollen
Konzilien gehalten
werden. —
Ich habe für 2 rtl. vierteljährig ein Fortepiano. — Ich habe gleich
den ersten Sontag einen Bauernkrieg mit einem Kantianer
geführt
und diesen sehr gequält: eben darum gieng ich nicht
nach dem kantischen
Jena. Die Herder
schrieb mir die gemarterte Einsamkeit ihres Mannes.
„Er ist nun hier völlig auf sich selbst reduziert. Er betäubt
manche
„unangenehme Gefühle durch ununterbrochne Arbeit.
Lassen Sie nur
„von Ihrer Himmelsbahn manchmal ein Blätgen
herüberfliegen zu
„den Muthlosen.“ — Hier ist ein ungewöhnlich
höflicher Ton gegen
die Weiber, die sogar — d. h. oft 90 an der
Zahl — ins Konzert den
freien Eintrit haben, den man nachher vor
ihrem Herzen fodert. —
Schelling sprach ich im Museum; er gefält
mir so wenig als die ganze
verfluchte Philosophen-Horde: ich macht’ ihn doch höflich
nach dem
ersten Wort auf das hinter mir hängende Gemälde
aufmerksam, das
die
Babylon[ische] Thurmbaute — und die
Philosophie — vorstelte. —
Ich war in Belgershain 2 Nächte: ach
wie schön ist es! Und wie
überglüklich Oertel! Jeder Fustrit des
Bedürfnisses ist aus diesem
Frühlingshaus verwischt — es scheint blos für das
Landvergnügen
gebauet — Oertel besuchte Leipzig seit der
Hochzeit 1 mal — Nachti
gallen, Johanniswürmgen, Bäume, Bücher und
die unaussprechliche
Liebe seiner Frau umzingeln ihn. — Ich
hefte mir ein Buch zu Merk
würdigkeiten, die ich dir einmal erzählen
wil — das sol dir manchen
Brief ersezen. — Ich habe so
viel zu berichten — und leider unmässig
an den Teufels Papieren
zu arbeiten! — Ich lerne meine Briefe immer
schneller schreiben; thät ichs mit meinen Büchern, so solte
das Publi
kum mit deren Verständlichkeit
zufrieden sein. — Bedenke daß ich
enger schreibe als du. —
Grüsse die Deinigen als wär’ ich du! — Und
deine
Novemberabende müssen glänzende durchfliegende Ideale er
leuchten und dich innig beglücken!
Schreibe mir unbegreiflich-viel so wohl Neuigkeiten als Gedanken
darüber.
Den Brün[ingkschen] Brief schicke zum Höpfner.
N. S.
Ich nehme dieses Blat von dem Briefe der brandschazenden Schuk
man, um nur etwas zu gewinnen: sie
schreibt mich an den Bettelstab.
— Ich halte ein Buch,
worein ich deine Porto- und Träger-Auslagen
eintrage.
— Ich danke dir für die Mühe. Wer dich von deinem Zed
wiz[er] Gang abzog? Die Engel von
uns beiden, die uns nicht an
einander krank werden lassen
wolten. Wer kan uns den Frühling
nehmen, mein Lieber, oder
die Hofnung? —
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_7.html)