Von Jean Paul an Carl August Matzdorff. Hof, 27. April 1795.
Brieftext
Theuerster Freund!
Sie werden dieses Blätgen später bekommen, aber auch von bessern
Händen als den gemietheten Posthänden.
Wenn Sie den kleinen Briefträger hier vor Ihnen kenten, so braucht’
ich — kein Wort mehr. Seinetwegen plag’ ich Sie. Sie wissen
nämlich
noch nicht, daß er ein bescheidener, stiller
Jüngling vol Blütenknospen
ist — daß er Weimar verlassen hat,
um in Berlin einen Fechtboden der
geistigen Uebungen, und ein Zuckerfeld der geistigen Kost zu
finden —
daß er eben so viel Gefühl und Wiz als Blatternarben
hat, und daß ihm
weiter nichts fehlt als — Geld. Er war oft bei
mir und an meinem
Barte (er ist ein chirurgischer
Kadet), und ich schnit oft (während er die
Fechser meines
Kinnes wegnahm) mit meinem Federmesser manche
Wasserschöslinge
dieses guten Gewächses ab und pelzte bessere darauf.
Das wars, was ich Ihnen zu erzählen hatte; — was ich Sie zu bitten
habe, ist, daß Sie dem guten, den Aesten seines Nestes kaum
entflogenen
Jüngling etwan eine gute d. h. lehrreiche
Kondizion anweisen oder vor
schlagen, oder
daß Sie gar meine Empfehlung in Ihre verwandeln
mögen. Ich bin
gewis, Sie werden es meiner Menschenliebe nicht ver
argen, daß sie die Ihrige ins Spiel gezogen. — —
Ich mus aufhören; eine Turteltaube, die auf meinem Tische herum
laufen darf, schreitet auf diesem Briefe
auf und ab und pikt nach dem
schwarzen Federschnabel mit
ihrem. Leben Sie wol und tragen Sie ein
wenig mit bei, daß der
kleine Roltsch es auch kan, und bleiben Sie der
Freund Ihres
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_103.html)