Von Jean Paul an Emanuel. Hof, 3. Mai 1795.

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Brieftext

Hof. d. 3 Mai 95.

Mein theuerer Emanuel

Hier siz’ ich an meinem Höfer Tische, aber die Bilder oder die Bilder
gallerien der bayreuthischen Gefilde und Gärten und Menschen um
ziehen tanzend meine Augen. Und Ihnen hab’ ich nicht blos Freuden
sondern auch Menschen zu danken. Mög’ auch Ihnen der Himmel immer
beides geben, da Sie mit einer Wärme lieben, die zu gut ist für die aus
Eisbergen gehauenen Menschenstatuen um uns her.


Mein Brief [ist] nur eilig und kurz und historisch, wegen meines
Walles von Arbeiten.

Hier sind die Hundsposttage, so weit ich sie habe. Die erträglichern
Stellen darin, unter deren Erschaffung ich fast an Entzückungen starb,
hab’ ich, weil solche Kapitel so wenig wie Gemälde nur halb aufgerollet
sondern auf einmal in Einer Sizung gelesen werden müssen, am Rande
mit einer rothen Wellenlinie bezeichnet. —

Eben kam eine vortrefliche Rezension meiner Mumien in der
Litteraturzeitung.

Renate sah ich blos — aus meinem Fenster an ihrem.

Schäfer hat über „Heins Wanderungen“ Recht — ich hatte nur
gerade nach den besten geurtheilt.

Ich danke Ihnen für meine 3 Tage im Paradies. Ihr guter Genius
erquicke Sie bei den Schmerzen Ihrer Hülle und führe Sie hinaus
in das mit Blüten, Düften, Vögeln und Zweigen gefülte Thal, in
das die trunkne Seele einsinkt wie eine Biene in ihren kleinern
Blumenkelch.

Ich bleibe
Ihr
ewiger Freund
Richter.

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 2. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1958.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Bibl. Gotha. 3 S. 4°. K (nach Nr. 102): Emanuel d. 3 Mai 95. J 1:Morgenblatt, 1. Aug. 1828, Nr. 184×. J 2: Wahrheit 5,72×. J 3: Nachlaß 5,241×. J 4: Denkw. 1,25×. A: IV. Abt., II, Nr. 34. K hat noch folgende in H fehlende Sätze: Manche Dinge kan man nur einmal machen ... weil ichzum merkantilischen Hochamt wenig tauge und weil ich dem Käufer meine Waarevorloben müste d. h. mich selbst wenn ich taugen solte. — Ich würde sogar umIhren Füssen und Ohren eine solche Mühe [zu] ersparen, sie dem Schäfer gemacht haben, wenn es erlaubt wäre, eine so junge aufgeblühte Freundschaftschon mit einer Last zu behängen. Vergeben Sie der Wichtigkeit, die meineBitte für mich hat, die Beschwerlichkeit, die sie für Sie hat. Vgl. dazu Nr. 107. K beruht offenbar auf einer nicht abgegangenen Fassung, in der Emanuelselber um die Vermittlung bei Lübeck gebeten wurde.

Richter war vom 29. April bis zum 1. Mai in Bayreuth gewesen. 80, 20f. Rezension: Allgemeine Literaturzeitung, 24. April 1795, Nr. 116;Rezensent war Friedr. Jacobs, vgl. Nr. 711†. 24 „Freund Heins Wanderungen“, Görlitz 1795, von dem Bayreuther Schriftsteller Joh. GottliebMünch; vgl. Nr. 146†.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_104.html)