Von Jean Paul an Gottfried Andreas Schäfer. Hof, 13. Juni 1795.
Brieftext
Ich wünsch[t]e ich wäre so zufrieden mit
mir wie mit Ihnen und
meine Bitte wäre so gerecht gewesen als
mein Dank es ist. Ein
Mensch, der die Welt nicht eher sieht als
bis er sie schildert und den
immer die Flamme der
Phantasie wie einen Bratenwender in Be
wegung sezt, mus sich an einen
transszend[enten] Brunnenarzt an
schliessen, bei dem es zweifelhaft ist,
welche von 2 Kontrarietäten er
im grössern Grade habe, Tugend
oder Welt — Fechtergang im
merkantilischen Disputatorio — für
einen andern aber nicht für mich
könt’ ich leicht den
litterarischen chargé d’affaires, den Todtschläger
machen. Im Wald würde mir mein Gewissen nur sehr
hieroglyphisch
oder gar nicht erlauben, mein Leben auf
Kosten eines fremden räu
berischen zu
retten; aber ein befreundetes so zu retten, dazu gäb’ es
nicht
blos Erlaubnis sondern Befehl. Ich hebe meine Flügeldecken
und
meine Flügel wieder auf und flattere in
Ihr[em] Elysium nieder. —
Ihre Furcht um [Ihren]
Eleven ist so gros wie Ihr Verdienst. Der
Mensch wird nicht viel schneller verschlimmert als verbessert:
nur, wie
er im enthusiastischen Eintrit in die aufsteigende Bahn
die grössern
Sprünge thut, so thut er im Eintrit in die
niederwärtsgehende
anfangs die grössern Fälle. Es verliert
sich — von Ihrem Samen
können einige Wochen wol einige Beete
aber nicht die ganze Ernte
ertreten. Was den Guten ewig tröstet,
ist: jedes Gute hat ewige
Folgen, aber nicht jedes Schlimme.
Denn sonst da es mehr Böses als
Gutes hienieden giebt,
hätte das Unkraut wenigstens in arithmetischer
Progression
längst alle Blumen ausgezehrt und überschattet. Über das
Verdienst, einen Fürsten zu bilden, welches grösser ist als das einer zu
sein, hat ein so kurzer Zufal keine Gewalt. Berechnen Sie die
1000
schlimmen Lagen jedes Guten und seine 10 guten: und dan
hoffen
Sie von andern, was Sie von sich wissen. — Die Männer sind
fähiger von Weibern zu
lernen als diese von ihnen — Weiber, die
Ton haben ohne Fülle,
wie leere Gläser klingen.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_127.html)