Von Jean Paul an Johann Wolfgang von Goethe. Hof, 27. März 1794.
Brieftext
Mit einer namenlosen Empfindung schreib’ ich dieses Blat, das diese
Löschenkohlische Gruppe von Schattengestalten zum Verfasser
des
Tasso begleitet. Daß es erst ein Jahr nach ihrem Druk geschieht,
ist
vielleicht eine — Entschuldigung mehr. Wie Nachtgeister
arbeiten und
poltern die Menschen in ihrer Nacht, und am Morgen
ist nichts gethan
— wie Blei in den h. Nächten wird die warme
Seele in Flus gebracht
und ausgegossen und abgekühlt und eine
unbekante Macht hat den
Gus zu Blumen oder Klumpen gebildet.
Gewisse Menschen erinnern an die ganze Menschheit, wie grosse
Begebenheiten ans ganze Leben; Sie werden daher dieser für mich
grossen Minute jene Betrachtung so wie meiner unaussprechlichen Liebe
für den Man, der über mein Herz wie ein guter Genius waltet,
die
Übersendung meiner Blei-Konfigurazionen verzeihen.
— Und über diesem von so vielen Tausenden geliebten Genius
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I, 436]
schwebe die Wolke des Lebens noch lange mit sanft spielenden Lichtern
und Schatten — und erst abends wenn die ganze Sonne in sie
hinein
geflossen ist, ziehe sie leuchtend
herab und hebe unsern Geliebten auf
und steige mit ihm in die
zweite so weit zurükliegende Welt zurük, die
für unsere
arme Hofnung nur die Parallaxe einer Sekunde hat!
Ihrige
Joh. Paull. Fried. Richter.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_5.html)