Von Jean Paul an Charlotte von Kalb. Hof, 3. April 1797.
Brieftext
Das Datum klagt mich [wegen Versäumnis] an,
[aber die Zer
streuung der Freude, der Rührung, die Besuche machten, daß ich am
ersten Tage meines neuen Lebens das Wort brach. Nach der
ersten
Sünde ist es dem Menschen natürlich,
fortzusündigen bis zum 3 April.
Ich beantworte zuerst Ihren
lezten genialischen Brief.]
— Die Lähmung und Apoplexie Ihres Herzens in Beziehung auf die
äussere Welt [thut mir weh;] — dieses
Erkalten aller Wünsche ist
Krankheit und ich hoffe nur
körperliche. Diese Erkrankung nimt durch
Ruhe und
Phantasie zu und geht [nur] fort durch
Thätigkeit. [Eine
Reise wäre Ihnen Arznei
— ach gienge sie doch durch meine Stadt!]
— Das ganze Arbeitszeug meines Körpers kan mein Geist noch
20
Jahre gebrauchen eh’ es zerbricht. Eben löset sich vor meinem
Papier die Abendsonne in erhizten Goldwolken des Abends auf und
koloriert meine Wünsche [für meine
Freundin — damit sie froher sei —
daß sie die Erde besser und
die Menschen schöner finde — und daß ihr
Herz durch Thätigkeit
genese. — Du giebst mir Schmerzen, weil ich
dich nicht ändern
d. h. erfreuen kan, noch weniger ermuthigen. —
Hoffet die
Zukunft und geniesset die Gegenwart! und ich bin seelig —
werde es!]
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_576.html)