Von Jean Paul an Christian Otto. Meiningen, 21. oder 22. Juni 1801.

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Brieftext

[ Meiningen, 21. oder 22. Juni 1801 ]

Der Eheman an einen.

Ich habe dir wenig zu sagen, wenn du nicht neben mir sizest. An
Zeit ist nicht zu denken. Ich kan nicht sagen, daß ich eben zufrieden
bin, indes bin ich wenigstens seelig. Die Ehe hat mich so recht tief
ins häusliche feste stille runde Leben hineingesezt. Gearbeitet und
gelesen sol jezt werden. Das Verlieben kan ausgesezt werden. —
Herder und sie wurden die amorosi meiner Frau; die Herzogin
Mutter, bei der sie as, sagte zu meiner Beruhigung, ich sei ihrer gar
nicht werth, Wieland schreibt, ich sei ein Günstling des Schiksals; —
hier am Hofe gefiel sie allen sehr, sogar der weibliche Adel liebte sie
obwohl die einzige Bürgerliche recht sehr. Ich habe mit ihr weiter
nichts in der Ehe gefunden als was ich vorher vermuthete, daß man
sich darin noch 100 etc. mal inniger und neuer liebt als vorher. —
Sie weis für Emanuel ein herliches Judenmädgen in Berlin; er
solte hin. — Komme bald her. Ich möchte dan bald zu dir und zu
Amöne, die ich mir jezt als Frau gar nicht recht denken kan. — Mit
der Gräfin, über welche gegen mich Leipzig und Berlin satsame Ver
läumdungen ausgeworfen, leben wir in schönem Bund. — Zur Messe
kommen 3 Auszüge aus meinen Werken heraus: Röntgens Rapsodien
zum Genus der Morgenstunden (auf jeden Januar (ernstlich!) eine
Betrachtung aus mir und über mich) — J P. Geist und Chresto
mathie — und noch eins. — Der Onkel Wechmar komt erst später. —
Soltest du innerhalb 16 Tage kommen: so melde mirs, damit ich
nicht in Liebenstein bin. — Der ganze künftige Monat wird herlich
blau; richte dich darnach. —


Lebe wohl! Grüsse die liebe Amöne. Beantworte auch den vorigen
Brief.

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Goethe- u. Schiller-Archiv. 3½ S. 8°; von Otto datiert: den 21. Jun.1801. K: Otto 22[!] Jun. J 1: Wahrheit 6,203×. J 2: Otto 4,28×(Juni). J 3: Nerrlich Nr. 87×. A: IV. Abt., IV, Nr. 157. 79, 29f. die HerzoginMutter] aus bei der Herzogin H 80, 1 dan] nachtr. H 2 als Frau] nachtr. H 8 Wechmar] davor gestr. Bertram H

Mit einem Brief Karolinens v. 21. Juni (H: Berlin JP; J: Wahrheit6,200×; zu der Unterschrift Caroline hat Jean Paul zugefügt: Richter Legazionsräthin vgl. 98, 14), worin Otto eingeladen wird, sich dem in achtTagen von Bamberg nach Meiningen reisenden Onkel der Gräfin Schlabrendorff, Baron Wechmar, anzuschließen. 79, 29–31 Richters waren am7. Juni mit Herders und Wieland bei der Herzogin Anna Amalie zu Tischgewesen. 32f. Karoline schreibt am 4. Juli 1801 an ihren Vater (H:Berlin JP; J: Wahrheit 6,205×): „Der Hof ist der unbedeutendsteCirkel. Am zweiten Tag unserer Ankunft wurde mein Mann zum Mittagbei der Herzogin gebeten (Er ist in Liebenstein ...) und ich als eine nicht hoffähige zum Thee [vgl. 160, 24–28] ... Es war ein Courtag, wo ich denganzen Adel kennen lernte ...“ 80, 5–7 Röntgen: s. Nr. 157†. 7f.„Jean Pauls Geist, oder Chrestomathie ... aus seinen sämtlichenSchriften“; s. Bibliogr. Nr. 395. Eine dritte Anthologie von dieser Messeist mir nicht bekannt.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IV_149.html)