Von Jean Paul an Emanuel. Coburg, 7. August 1803.
Brieftext
Ich wil ein wenig an Sie schreiben, ob ich gleich nichts dazu habe
als eben den Wunsch. Es passiert hier nichts. Ich habe meine
Bücher,
C. ihre Kinder — das ist alles. Der Hof komt Septembers
zurük,
der mir und meiner Frau noch ein Paar Farben schenken
wird, die
jezt dem Regenbogen unserer
Freude fehlen, oder meiner. Ich mus
Kretschman immer mehr achten. Der Herzog gab ihm die
Erlaubnis
— das freimüthigste Buch, über sein Verhältnis drucken zu
lassen —,
ohne es lesen zu wollen, auch die Herzogin, die
scharfsichtige. Er ist
ein politischer Friederich
Schlegel. Doch nimt er freudig Milderungen
an. — Herder ist wegen Krankheit im
Egerschen Bade. — Könt’ ich
nicht Caroline Liebman’s (nicht C. H[erder]’s)
Schuldschein zu
leidlichen Prozenten, etwan à
\nicefrac{1}{1000} bei Ihnen unterbringen, da
ich
jezt doch keine bekomme? Sie erwiesen mir damit einen
wahren Ge
fallen. Das Kapital steht
so sicher und fest, daß es gewis immer da
stehen bleiben wird,
wo es steht. — Das Berlinische sollen Sie hier
wiederbekommen, weil ich entweder Postgeld oder Gefahr
fürchten
mus; die Zinsen, die Sie mir bis zur Zession
schulden, können an der
Bierrechnung abgezogen werden.
Schreiben Sie einmal wieder als der Armenadvokat Siebenkäs
über die Blatte[r]n:
so bitt ich mirs aus; auch bitt’ ich mir aus, daß
Sie bald
dergl. schreiben oder etwas anders. — Ich wolte, Thieriot
liesse von sich hören (Denken Sie an meinen
Spas!), da ich dem
Satan doch geschrieben habe; aber
man gewint überal die Menschen
mehr durch seltenes als
durch häufiges Geben. Und lezteres ist leider
mein Fal.
Seit der Ehe seh’ ich ein Weib kaum recht an; aber Ihre Jette
must’ ich ansehen; und ich war froh, daß sie meinen gar zu
deutschen
Ehemans-Stumpfsin gegen die Weiber ein wenig heilte. Ich
liebe
und achte sie herzlich und zehnmal mehr als
sonst. Aber gegen den
armen Braun haben Sie die Bräune. Alle
erhabenen Empfindungen,
Talente, Schönheit, und aller Teufel hilft nichts zur guten
Ehe —
die Ehe macht wie der Tod alles gleich —, aber wohl
moralische
(schlechte Schreiberei, da ich leider das Kind
im linken Arme halten
mus) Vernünftigkeit; und diese kan ja Br. haben. Der kurzen Liebe
sind
glänzendere Vorzüge nöthig als ein so langer.
Ein Paar Tage nach der Ankunft sehnt’ ich mich herzlich nach
Bayreuth zurük und begrif die verfluchte Eile nicht. Unser schönes
Zusammensein, die goldenen Abende in Uhlfelders Garten etc.
—
Ich hätte gleich wieder zurük gemocht. Aber es treibt
mich immer das
Schrekbild meines feiernden Schreibtisches nach
Hause. Mittags und
Abends mögt’ ich verreiset, in den
Zwischenzeiten zu Hause sein, wo
ich nichts zu geniessen
brauche als mich selber.
Ich weis nun nichts weiter, mein Alter, als den Wunsch Ihrer
Erscheinung, die Sie uns aber verkündigen müssen, damit unsere
Ueber
raschung nicht zu sehr zu Ihrer
werde. Es ist mir, als hab’ ich Sie
in Bayreuth noch mehr
lieben lernen, was ich vorher nicht für möglich
hielt.
Richter
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IV_398.html)