Von Jean Paul an Emanuel. Coburg, 2. Dezember 1803 bis 2. Dezember 1803.
Brieftext
Spas- und Goldvögelgen! Hier ist der Wechsel; zu 100 fl. rh. ist
der Bier-Jammer gerechnet (was zu viel ist, trink’ ich
nach). Warlich
aus mir ist leichter Geld zu quetschen als aus Ihnen
Rechnung. Am
Ende glaub’ ich fast, es stekt hinter Ihren
Satiren auf mein Bier
Borgen gar
einiger Ernst. Sie lachen vielleicht und sagen: was denn
sonst? — Die Redukzion der Geldsorten hat mich Stunden
gekostet. —
Haben Sie Dank für Ihr Geld. Ein Paar Tage nach
meinem Schreiben
an Sie schrieb mir Cotta, er habe 100 Carol. auf den Wagen
gegeben,
die also übermorgen eintreffen. Haben nicht Sie oder Otto
einen
zurükgebliebnen Cottas Brief,
worin er mir 7 Ld. pr. Bogen ver
sichert? Gerade den find’ ich nicht. — Aus beiliegendem Blat von
der Fr. v. Hehndrich ersehen Sie, daß die Meininger 3. Fässer nur
2. Stunden von hier anlangen; und daß ich also alle nächstens sende.
— Ihr Bier
erquikt mich wieder; doch war das Fas eine lange Hand
tief (um 15 Krüge) leer. Ich trinke gemeiniglich 3 Minuten
nach dem
Abladen davon und fahre fort.
Eine wahre sitliche Grazie, eine Leserin und Liebhaberin von mir,
Amalie v. Uttenhof (Generals Tochter auf der Plassenburg)
lernt’
ich kennen und lieben; welche vielleicht hier Hofdame
wird. Gott
schenke sie uns. Im andern Falle hab ich auf
meinem Wege nach
Bayreuth doch schon unter Wegs etwas. —
Für Otto hab ich allerlei gesamlet zum Schreiben; aber er
macht
mir keine Lust dazu durch sein Schweigen. Das längste fieng er im
vorvorigen Jahre an. — Schroeder
traf mich so, daß meine C. vor
Freude aufschrie. Sie sollen auch einen Kupferstich davon
haben.
Ernestine ist freudig über das Brief- und Rokblat. Ich
glaube,
Sie sind der einzige, der einem erzwungnen Anlehen (denn
die Freund
schaft zwingt mehr als
Gewalt) noch Geschenke beifügt; aber bei Ihnen
ist alles
ungezwungen; und bei Gott! wenn ich Sie nicht so sehr liebte
und achtete, so würden mich meine Verbindlichkeiten gegen Sie ein
engen.
Ich fragte eben — ich as bei Kr[etschman]
— auf der Post nach
dem schnelsten Tag des Empfangs; Dienstags (den 6ten) ists — also
da wird getauft. Bei meiner Ehre! Komt der Brief zu spät,
so bleibt diese und mein Wille. Ich würde gern und
gerner den 9ten
wählen, wär’ ich des Daseins der 2 Arme, die den Wurm
halten,
E.’s, noch so lange sicher.
v. Doppelmaier und Frau sind hier. An Otto wil ich davon
schreiben. — Ernestine lass’ ich
bis Rudolstadt fahren, wovon sie
M[ahlman]
abholt; entweder ich gehe mit oder Halter, der
Flegel
Kopist; ein herlicher Mensch. — Die
gute Schwendler hatte das
Glük, ihren Vater zu verlieren; und also 20,000 rtl.
nicht; was ihr
zu gönnen, da sie mehr braucht als liebt.
Was macht die gute Renate? Diese einzige in Hof haben mir
die
Städte und die Zeit nicht vernichtet (doch auch die
Liebman, die
Köhler’s Lene nicht ganz); so liebt der Mensch zurük in
jene Zeit,
wo sein Inneres geboren wurde, so wie in den Geburtsort
seines
Äussern. — Sie sei innig von mir gegrüsset und
brauche kein Bedauern.
O Gott, wenn sich Völker verändern,
warum nicht ein Mensch unter
einem Volk? Daher vergebe man jedem, den Besten
ausgenommen.
[
gestrichen: NB. Zu Otto sagen Sie am 9ten, wenn ers gar
nicht denkt: „noch eine Gesundheit! Ihre! So wil der
Koburger; und
„schriebs bei Gott!“ — Ich bitte Sie, schwach zu
schwören.]
Vid.
Beilage O.
Jezt noch einige Antworten auf die Ihre.
Freund! Ein 2tes, 8tes, 100tes Kind ist nie ein 1tes,
obwohl ein
2tes ein 8tes oder 100tes sein könte. Die Hauptsache ist
die häsliche
Wagschaft der Mutter. Mich hat die
gegenwärtige ein Paar Nächte
gekostet, weil ich da den
Leichtsin der Schwangerschaft überlegte. Doch
begehrt man ein anderes Geschlecht; und jezt ist mir
einerlei, was
komt; denn nichts Neues ist mehr zu haben.
C. liebt Maxen fürchter
lich; doch ich die Emma fort; M. wird täglich
schöner, sieht meiner
C. ähnlich, schneidet aber 100 etc. Gesichter, wird
vielleicht ein Komikus,
schläft und schweigt aber sehr. Ein Man liebt doch einen
Jungen —
ganz verflucht stark; „’s ist ein Herkules wie ich“
denkt man und hofts.
In der That, mein Gesicht ausgenommen und ein dummes, hat
Max
jedes. — C. ist rein
gesund. — Sie persiflieren meine Geburts-Notiz?
Sie solten doch einmal Eine Entzückung 2 mal haben und
malen;
davon gar nicht zu reden, daß ein Kind anfangs gar
nichts zu kosten
scheint, indes man doch, wenns komt, Tanz
und Bier bezahlen mus.
Niemand rede, oder schreibe dagegen
ohne Trauring am Schreib
finger.
—
Mit dem Biere bin ich volendet kontentiert, ich meine die Qualität.
— Der alte Thieriot empfange Grus
und Wunsch.
Und Sie dies und alles! Aber hier sei mein Ehrenwort —
und
liessen Sie mich verdursten — daß ich nicht eher
Ihnen wieder schreibe
als bis ich die Bierrechnung —
deductis deducendis — habe. Ihr
Wüsten Sie, wie ich schweige, oder nur fliegende Seiten — oft
Blätter ausschicke — so würden Sie erstaunen über
fliegende Bogen.
Das Blat über die allemannischen Gedichte erhalten Sie
bei
nahe mit mir — Da komts eben
— Sie oder Otto können es behalten.
Oder machen Sie es vielmehr so: schicken Sie das Zeitungsblat
an Ottos Geburtsmorgen mit folgenden erst ab- und
zuzuschneidenden
Worten:
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IV_429.html)