Von Jean Paul an Emanuel. Coburg, 3. Februar 1804.
Brieftext
Dank, vielen Dank, schönen Dank, grossen Dank, und Dank!
Und
guten Abend! Denn ich kenne Sie. Andere Sachen nun anlangend,
so zog Emma — so wie den Cotta’s
— so den Muf-Brief spielend
aus dem Briefkasten. Kan ich mehr verlangen oder Sie weniger?
—
Aber Ihre Beschuldigung „ich läse die Briefe nicht recht“
braucht
Entschuldigung; denn ich lese erstlich alle
Briefe genau, und zweitens
Ihre mehrmals, weil ihre geistige Kürze und ihr Leben in
Worten und
Sylben dazu lokt und zwingt. Aber Beantworten ist
etwas anders;
dazu leg’ ich nichts vor mich hin als das Blat,
worauf ich gewöhnlich
monatlange das samle, was ich einem guten Freunde — giebts denn
einen andern? — zu schreiben verhoffe. Einmal mus doch nicht mehr
beantwortet werden; sonst gäb’ es ein ewiges Echo des Echo.
Auch
ist es leichter, eine Antwort zu geben als zu
veranlassen brieflich. —
Doch sol heute Ihr Brief und dessen beiliegende Kopie von C.
hier vor mir liegen, damit ich beantworte.
Thieriot — — Seine und Ihre Briefe ... es ist
Herzens-Wollust,
den Jüngling und Man so scharf und schön neben einander zu
finden,
so harmonisch ohne Ein-Klang. Auch lieb’ ich Th. am meisten wenn
er an Sie
schreibt. Es ist die Frage, ob Sie nicht das originelste Leben
— und folglich Herz — führen, das je erwärmet hat; ich meine, ein
blosses lauteres Leben der Liebe, so extensiv, als sagten Sie
den 4 etc.
Welttheilen Höflichkeiten, so intensiv, als hätten
Sie Kinder und
Frau. Bedenken Sie, daß Sie recht glüklich
sind; und Gott erhalte
Ihnen — welche Liebe Ihnen auch vergehe
— nur Ihre. Wer lieben
kan, braucht nichts, im Nothfal, kaum
einen Menschen, denn der
verhülte Geber der Liebe
bleibt ihm doch. — Aber für den guten
Thier[i]ot wünsch’ ich Ihr ernstes
Wort. Die Gebrüder Gugel — von
ihm an mich empfohlne grosse Waldhornisten — sagten mir, daß
er
in München durch sein Betragen sehr misfallen, 1) daß er
erst nach
3 Wochen zu den Musizis gegangen, da doch da grosse
sind, 2) daß
er sie alle zu leicht behandelt und
beleidigt, da doch München wegen
grosser berühmt ist und ein grosser Violinist doch einen
elenden achten
mus, der ein grosser Hornist oder des etwas
ist, 3) daß er das Publikum
gerade so falsch behandelte als
ich ihm hier vorwarf. Er kündigte
nämlich im Museum an, daß er
die Spiele verschiedener Meister
geben wolte — welches a) eine
kleine Unbescheidenheit war, sich als
einen Chrestomathen von
Meistern zu geben, folglich als deren Über
Seher, b) eine Verrechnung beim Publikum, das nun die
ältere
Viottische Manier und die neuern hören muste — als
blosse Studien —,
indes dasselbe weder die Originale dieser Kopien kent noch an
den
Kopien
[sich] erfreuen kan und wil — es wil
reine dilettantische Lust.
Wer wird Geigern geigen? Man sol
ungemein unzufrieden mit seinen
Worten und Wahlen gewesen
sein. Jene musikalischen Studien und
Akademien könt’ er ja
geben, wenn er fixiert wäre als Direktor für
1 Publikum. Am
Ende wird ers noch hier; denn in Wien wird er mit
seinem Verachten und Verstehen noch schlimmer fahren.
— Überhaupt
warum sezt er denn überal das Minimum der Musik voraus, und in
München gar? — Wie
alle[n] Virtuosen liegt ihm das
unverdauete
Lob im Magen, weil er das Salz dazu — den Tadel hinter dem
Rücken
— nicht mitbekomt. Sagen, ja kopieren oder geben Sie
ihm das alles;
denn ich lieb’ ihn wie meinen Sohn, ja mehr; und
ich weis doch, daß
er so in kurzem arm
wird. Rechnen Sie ihm seine Zukunft — d. h.
die Sklaverei der Dürftigkeit — recht vor. — Sein Traum an
die
Taxis ist für sich wizig und schön und treflich; aber
wer Franzosen
gelesen, Franzosen und Höfe gesehen und gehört und Fürsten
kent,
und vollends die Taxis: findet 1000 Fehler. Inzwischen
hat sie ihn
gewis entschuldigt als einen
Virtuosen, dem man manches nach
zusehen habe. Guter Emanuel, gute Nacht! Schon hab’ ich 4 □ Seiten
vol und noch kaum angefangen! Und wenn sol ich denn
endigen?
Wangenheim und Kre[t]schman kämpfen jezt den
Vernichtungs
Krieg; jener weiset ein Minus von 170,000 nach; darum ist doch dieser
noch nicht besiegt oder für mich vergangen noch die Kassen
leer. Aber
sub rosa
diese Dornen!
Sieht Otto meine Briefe? Oder hört er sie parzial?
Ein Hauptman v. Zobel ist nicht hier.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IV_447.html)