Von Jean Paul an Friedrich Haug. Bayreuth, 5ten September 1820.
Brieftext
Der Überbringer dieß, H. Pfarrer Oestreicher, ist ein
katho
lischer, aber viel hellerer Geistlicher
als so mancher protestantische.
Können Sie ihm auf seiner Bilderjagd — nicht
metaphorischer,
sondern körperlicher Bilder — eines und das
andere Gehege zeigen:
so wird er Ihnen sehr mit mir danken.
Ich sehne mich nach meinen guten Stuttgartern, werde sie
aber
doch nicht eher besuchen als bis Ihre Urania unter ihnen
ist.
Der Plan Ihres künftigen Werks gefällt mir mit seinem Drei
Klange recht sehr. Sie haben bei der seltenen Vereinigung von
Kennt
nissen, Einfällen und lyrischen
Ergießungen ein schönes Mittel, sich
immer zum Vortheile der
Leser zu unterbrechen, z. B. die Epigram
menreihe, gegen deren Überreiz immer eine Einmischung andern
Stoffs so wohlthuend wirkt.
Der Herzog Alexander — der Bruder Ihres Herzogs Wilhelm —
war einige Wochen in hiesiger Nähe; und ich habe mit ihm so
schöne Stunden, nur mehre, verlebt als mit dem Ihrigen.
Grüßen Sie Reinhold und wer Ihr und mein Freund zugleich
ist
und die lieben Ihrigen.
Jean Paul Fr. Richter
N. S. Da Sie wissen, daß ich aus der Wetterprophetenschule bin:
so will ich denn meine vor acht Tagen schon ausgesprochne
Weis
sagung — die Ihnen wahrscheinlich
erst nach der Erfüllung ihres
kleinern Theils zukommen wird —
Ihnen nicht vorenthalten, daß
eine Dürre mit blauem Himmel
bis in den Oktober hinein kommt;
und schon vor
Weihnachten viel Kälte.
Die reizende Urania möge meinen Arbeiten mein Schweigen
ver
zeihen; besonders da man vor ihr als der
Fürstin und als der geisti
gen
Schönschreiberin doch nicht im Wochenkleide sondern im Gala
stil erscheinen muß. Freilich so gern ich ihre Hand auf
dem Post
papiere sehe: so wäre
mir die Hand ohne die Feder noch 10 mal lieber.
Versichern
Sie sie meiner innigsten Verehrung, Wärme und —
Sehnsucht.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IX_28.html)