Von Jean Paul an Christian Otto. Töpen bei Hof, Mai 1788.
Brieftext
Lieber Otto,
Es ist Schade, daß dich das Wetter nicht herunterverlokt: ich könte
dich in die Komödie führen. Nun ists meine Pflicht, sie dir zu
erzählen,
und deine, sie zu lesen. Die Truppe beläuft
sich nicht unter Einem
Man. Denn ich mag seine Frau nicht dazu
mitzählen, weil sie be
kantermassen blos das
Einlasgeld in Empfang nimt. Es kan der
gesamten Christenheit
nichts schaden, wenn ich blos bemerke, daß das
Schauspielhaus ein wahres Wirthshaus war: Leute, die mich und
Töpen heruntersezen wollen, sagen gar, es war nur
die obere Stube,
welches leider wahr ist. Denn im ganzen Töpen ist nur ein
einziges
wirkliches Opernhaus und das wil der Pfarrer, man mag
ihm singen
und sagen was man wil, durchaus nicht herleihen: die Entrée in
diesem kömt auf Einen Pfennig
alzeit. Für das Schauspiel aber,
weswegen ich dieses
feine Papier verbrauche, sind für verschiedene
Stände
verschiedene Pläze: den schlechtesten erkauft man mit 1 Kreuzer,
den besten, der für die hiesigen Honorazioren (wie ich denn
selber
einer der ersten darunter zu sein verhoffe) offen
gehalten wurde, muste
man nach Belieben bezahlen. Das
Orchester hieng in Gestalt einer
Trommel an der Wand
und war schon auf der Gasse hinlänglich ge
rühret worden. Man hätte auch in der Opernstube selber kein Wort
von der Trommel wegen des Getöses vernehmen können, das
draussen
die Bauern in Handelsgeschäften verführten: denn sie
handelten
iüdisch und nicht christlich um das Entréegeld und ich schäme mich, es
nach Hof zu melden, ein paar wolten gratis hinein. Die
wichtigsten
und nächsten Pläze waren (wie es selbst in grossen Städten, z.
B. in
Hof ist) mit alten Sesseln besezt und darauf sassen wir,
ich und mein
Eleve als die erheblichsten Honorazioren voran: denn 〈ia〉 ob
〈über
haupt〉 der Kantor zu unserer Rechten und
der Bader und ein Zahnarzt
zur linken diesen in meinen
Augen wichtigen Titel völlig verdienen,
das sollen Ausländer
unpartheiisch entscheiden. Inzwischen giengs
zulezt wie in der
Auferstehung und den Saturnalien her, die ent
ferntesten Stände wurden vermischt und ein gewisser Junge
stand
mir (wie ich halb und ganz erweisen wolte) am Ende auf 2
Schritte
vor.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/I_219.html)