Von Jean Paul an Christian Friedrich Voß. Leipzig, 2. Februar 1783.
Brieftext
Verzeihen Sie, daß ich mit meinem Dank für das überschikte
Honorarium so lange gezögert. — Der Druk der Skizzen ist völlig
meinen Wünschen und meiner Erwartung gemäs ausgefallen. Das
zweite Bändgen, an dem ich iezt arbeite, sol bis auf Ostern,
vielleicht
vor, vielleicht nach der Messe fertig werden. Dieses
Bändgen wird,
wie ich hoffe, das erste wenigstens dadurch übertreffen, daß ich
mich
der Laune und dem Wize mit mererer Schonung des Geschmaks
über
lasse, die Gleichnisse weniger häufe
und mer auswäle. Ich arbeite
daran wie an den gedrukten
Skizzen, nicht länger als 6 Monate. Wer
in kurzer Zeit nichts
Gutes liefert, liefert es niemals; die Feile erzieht,
aber erzeugt nicht Schönheiten, und
Shandy hat Recht, dem Augen
blikke des Empfängnisses eines Kindes mer
Wichtigkeit als iedem
andern Zeitpunkte seines Lebens
zuzuschreiben. — Nicht blos der
Dichter, sondern auch
sein Gedicht wird geboren und nicht gemacht. —
Unter den
Bedingungen, die ich in meinem ersten Briefe zu erwänen
verschob, verstand ich die: mir nämlich 6 Exemplare auf gutem Papier
für meine Freunde ausbitten zu dürfen. Eines hat mir schon Herr
Schirach, bis auf wenige Bogen geschikt. Vielleicht hätt’
ich das
schon längst sagen sollen; vielleicht ists auch iezt
nicht zu spät. Den
Umstand ungerechnet, daß das Büchelgen fast
20 Bogen stark ge
worden, mus mich auch
meine iugendliche Unerfarenheit in diesen
Geschäften, die sich
in ieder Zeile verrät, vielleicht entschuldigen. In
Hofnung,
daß Sie iene Bitte nicht blos gewären, sondern auch
vergeben, hab’ etc.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/I_32.html)