Von Jean Paul an Erhard Friedrich Vogel. Schwarzenbach a. d. Saale, 27. Juli 1793.
Brieftext
Theuerster Freund,
Und wenn ich sagen könte: zornigster Freund, so hätte niemand die
Schuld als ich. Ich wolte Ihnen immer die zweite Ausgabe meines
Buchs bringen (denn es wurden 2 gemacht, eine auf
Schweizerpapier)
— ich wolt’ es immer selber überreichen — ich wolte mich immer
bessern — — kurz ich machte es wie mit der Tugend: —
Erst heute bekommen Sie es durch einen bessern Briefträger als
mich; und morgen können Sie gegen mich predigen.
Ueber das Buch, das glüklicher war als seine Brüder ohne darum
besser zu sein (es geht den Menschen auch so), sag’ ich
nichts, sondern
Sie sollen etwas darüber sagen. Ich weis
nicht, ob sich Ihre Apathie
mit dem Pathos dieses Buchs
versöhnen wird; und Sie werden mir
dasmal stat der Satire, das
Extrem ihres Gegentheils vorwerfen.
Ihre Antwort ist für mich eine Amnestie-Akte und ein Gnadenbrief,
nach dessen Empfange ich aus meiner Stube in Ihre eilen werde.
(Apropos zu meinen Hindernissen müssen Sie eine
dreiwöchentliche
Reise über Erlang mit rechnen) — Ich werde
Ihnen eine ganze
philosophische Brieftasche mitbringen; schreiben aber werd’
ich nicht
eher philosophische Bücher als im Alter wo
man ein philosophisches
Leben führt, was meines noch nicht
ist.
Empfehlen [Sie mich] der Frau Pfarrerin.
Ich habe die Ehre — mit
der sehnsüchtigsten Erwartung einer Antwort, die nur das Buch,
aber
nicht den Verfasser kritisiert — mit der wärmsten Hochachtung
für
meinen ältesten litterarischen Wolthäter zu
bleiben, was ich nie
aufgehört zu sein
Eiligst
N. S. Nehmen Sie die körperlichen Drukfehler weg, eh Sie die
transzendenten vor Gericht ziehen.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/I_438.html)