Von Jean Paul an Renate Otto. Bayreuth, 1. Januar 1821.
Brieftext
An Sie, gute liebe Renate, schreib’ ich den ersten Brief dieses Jahres,
das, wie dessen Vorgänger, mir unaufhörlich die Brieffelleisen
zum
Leeren und zum Füllen vorhalten wird; und anstatt Ihnen
Wünsche zu
bringen, will ich vielmehr die Ihrigen so gut
ich kann, der Erfüllung
nähern.
Schmidt sagte mir hier, daß er
meinen Brief für Ihre gute Enkelin
der Königin nicht etwa blos referiert habe, sondern sogar ganz ge
geben. Von dieser Kompaß-Ecke her kann
Ihnen also durchaus kein
anderes als ein günstiges
Wehen kommen.
Ihr Christoph war nicht in Baireut; er schrieb mir blos, daß
er bei
dem Handelsvereine angestellt sei, wiewol er eigentlich in
Groote’s
Geschäften reiset. Um nun für ihn bei dem trefflichen Lerchenfeld am
besten zu wirken, will ich es durch den eben so trefflichen
Regierungrath
v. Herder thun, meinen und Lerchenfelds Freund, der von hier auf
mehre Wochen nach München gegangen.
Aber dazu muß ich für
Herders Strenge die bestimmtesten Angaben von Ihnen
erhalten:
1) wie hoch sich Otto’s
Quieszenzgelder belaufen — seit wie lang’ er
quiesziert ist
und 2) auf wie lange er Urlaub hat — 3) was er noch
neben her im Staate fortgearbeitet und 4) hauptsächlich, auf welche
Stelle er Anspruch oder Hoffnung oder Wünsche hat.
Haben Sie mir darüber geschrieben, so werd’ ich sogleich an Herder
schreiben; und dann hab’ ich, wenn ich auch schweigen werde,
alles
gethan, was Sie wünschten und ich vermochte.
Sollte eine kleine Tadelstelle [Ihres
Bri]efes sich auf Emanuel
be[ziehen]: so
thäten Sie dem edelsten und treuesten aller Freunde
Unrecht; ich kenne in Deutschland herrliche Seelen aller Art;
aber eine
so für Helfen und Lieben und Beglücken begeisterte hab’ ich
nie gefunden
wie seine ist, eine mir nächste
ausgenommen.
Mögen Ihnen nach so manchen untergegangnen Sternen in Abend
wieder junge und neue in Morgen aufgehen!
J. P. F. Richter
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VIII_138.html)