Von Jean Paul an Caroline Richter. Bayreuth, 8. Oktober 1822 bis 8. Oktober 1822 Um 12 Uhr.

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Brieftext


Baireut d. 8ten Okt. 1822

Meine gute Karoline! Deinen frohen Brief sammt der Küchengabe
legte der Kutscher ungesehen in die Küche. Ob ich gleich gestern ver
geblich auf deine liebe Hand wartete: so schreib’ ich doch heute. Das
himmlische Wetter söhnt mich durch die Freuden, die du haben und
geben wirst, am besten mit meiner Einsamkeit aus. Alles geht recht
ordentlich durch Emma. — Der Poppenreuther Wirth hat seine
2000 fl. geholt. — Hier send’ ich dir mein Leibes Bulletin, falls du es
etwan einem guten Arzte zeigen könntest. Nur bring’ es ja wieder
zurück,
da mir die Zusammenstellung mühsam war. Vielleicht hilft
es mit dazu, daß ich reinere Frankenweine bekomme, von welchen du
drei Proben — jede zu 2 Bouteillen — mitbringst; und etwan noch
zwei Flaschen ächten Graves-Wein. Jene fränkischen aber müssen
wenigstens 45 kr., 50 und 60 kosten. Willst du Keller und Küche zu
gleich bereichern: so frage etwan nach Lachs, pommerscher Gans und
westphälischem Schinken; aber von nichts viel. — Für die Studier
stube, die so sehr mit jenen beiden kommun[i]ziert, könntest du dann
durch recht glattes Schreib-Papier — nicht gerade sehr weißes und
dickes — sorgen. — Über Odilia’s Rückkehr bin ich sehr im Klaren und
Festen — ein Sandbad kann sie nicht mehr gebrauchen — ihr bisheriger
Wachsthum befestigt ja die schon genommene richtigere Richtung der
Knochen — Alles, was monatelang ohne den abwesenden H. D. Heine
an ihr geschah, das kann hier durch deine und meine Hände auch ge
schehen — und ich wüßte nicht, wie sie in den Maschinen, die er ihr
mitgibt, sich wieder verbiegen sollte. Am besten wärs freilich, du bräch
test sie sogleich mit, anstatt Anfangs Dezembers; aber im andern Falle
kann in den beiden restierenden Monaten noch das Nöthigste erreicht
werden; und im schlimmsten Falle mag sie dort eine Nachkur, später im
Frühling gebrauchen. Meine Sehnsucht, meine Bedürfnisse verdienen,
zumal bei der winterlichen Ungewißheit des Lebens, doch auch einige
Rücksicht; und es bliebe eine Folter für Odilia’s ganzes Dasein, wenn
ich von ihr ungesehen stürbe. — Die Fürstin Schwarzenberg hielt
H[eine] auch für nur halb geheilt; — und siehe, eine starke Phantasie
läßt sie auf einmal wandeln. — Vor deiner Ankunft lass’ ich nicht zur
Ader; ich bin wohl genug. Nimm ja von W[ürzburg] aus nur Einen,
nämlich einen hiesigen Kutscher und spare nicht.

Odilien frage um ihre Menstruazion.

Eiligst
Um 12 Uhr

Eben kommt dein lieber Brief doch — Jetzo in der Eile kann ich
wenig entscheiden 〈bedenken〉. Wenn aber Heine selber bisher nicht
alles vermochte: so hilft das Dortsein weniger, höchstens das Wieder
kommen mehr — Und wenn Auguste fehlt: so muß Odilie hieher.

Habe Dank für deine Liebe. Schreibe recht bald, damit ich selber
mich berichtige. — Mir ist immer, als müßt ich zu dir hinüber und dich
fragen; aber für das Glück unserer Geliebten entbehr ich gerne.

Dein Richter

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 8. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1955.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Berlin JP. 4 S. 8º. B: IV. Abt., VIII, Nr. 204 und 206. A: IV. Abt., VIII, Nr. 208. 203,5 schongenommene] nachtr., versehentlich vor die 8 und] davor gestr. Noch 2 Monate 16 hielt] aus gab 18 Vor] davor gestr. Noch 24 f. nicht alles] aus so wenig 25 f. Wiederkommen] aus Hinkommen

Angekommen 10. Okt. Karoline war am 3. Okt. zu Odilie nach Würzburg gereist und hatte unterwegs aus Bamberg durch den nach Bayreuthzurückfahrenden Kutscher einen Brief und eine Zunge gesandt. Von Würzburg hatte sie gemeldet, Odiliens Zustand sei noch nicht befriedigend, dieAufseherin (Auguste) krank, der krank gewesene Heine möchte sein Werkmit neuem Eifer fortsetzen, sie wolle aber erst den trefflichen Prof. Douderepont (s. 209, 2†) konsultieren. 202, 28 Leibes Bulletin: vgl. Bd. VII, Nr. 355, 160, 27†. 203, 16 Fürstin Schwarzenberg: vgl. zu Nr. 263.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VIII_337.html)