Von Jean Paul an Joseph Max. Bayreuth, 17. April 1824.
Brieftext
Immer denk’ ich bei allem brieflichen Schweigen an Sie mit Liebe
und Wünschen für Sie. Wär’ ich nur in jenen schönen Zeiten
mit Ihnen
bekannt gewesen, wo meine Feder noch kein
langsam-rückender Datum
zeiger war!
Jetzo muß ich warten wie Sie; und meine MaireiseDer Mai
allein wird diesesmal kein Regen-, sondern ein Wonnemonatwerden. Für seine drei Nachfolger und folglich für die 3 Ernten, die sie uns
bereitenkönnen — in Obst, Korn und Wein — geb ich, wenn die
vielen Nachtfröste mit den3 Blütenzeiten zusammen fallen, nicht
viel nach meinen Aequinokzialbeobachtungen.Ich verwalte nämlich
schon seit 30 Jahren das Wetterpropheten-Amt, und werdeweit weniger
von mir ausgelacht als etwa von andern.
nach Darmstadt wird vollends das
Gehwerk meiner Selina auf
Rétarder drehen. Darnach freilich — nach der Vollendung der
letztern
— ist mein erster Blick und Griff nach meinem
großen, schon im Neu
jahr-Morgenblatt beschriebnen
Lustwerke, welches zugleich — was
dort nicht gesagt worden — meine Lebensbeschreibung
enthält. —
Und noch immer hab’ ich dabei an niemand gedacht, dem ichs
nur an
biete, als an Sie. Aber freilich
muß ich warten. Zum Glücke geb ich es
nur in Bändchen, und
noch dazu viel leichter und schneller bei dem
Reichthum und Wechsel der Materien als es bei der Selina
möglich
ist. —
Meine Schuld des Schweigens half noch mein Geburttag vermehren,
der mich im[m]er
zu Briefen zwingt.
Grüßen Sie Steffens recht herzlich von mir und die
vortreffliche
Präsidentin Fischer.
Leben Sie froh und legen Sie nie mein Schweigen auf Ihre Kosten
aus.
Jean Paul Fr. Richter
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VIII_428.html)