Von Jean Paul an Julius Eduard Hitzig. Bayreuth, 30. April 1824.

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Brieftext

Baireut d. 30ten Apr. 1824

Guter, nachsichtiger, thätiger Glaubiger und Gläubiger! Denn in
der That meine Schuld an baarem Dank ist groß; und zwar für Thaten
und Briefe zugleich. Sie allein waren ja der Stifter des Leserfestes.

Etwas entschuldigt mich der Anlaß selber, der Geburttag, der immer
auch ein Geburttag von Antworten und allerlei Arbeiten wird. Auch
der Frühling eignet sich so viel Zeit von mir zu, als wohnt’ ich in einer
großen Stadt; und wahrlich er ist ja auch eine und zwar die schönste. —
Wie kann ich aber Ihrem herrlichen, mir unvergeßlichen Berlin
dieser Bergstadt der deutschen Kultur, der gesellschaftlichen, ästhetischen
und philosophischen, genug Dank und Freude bezeigen? Grüßen Sie von
mir noch die Toastdichter, besonders Schüller, v. Ahlefeldt und Fouqué.
Überhaupt wünscht’ ich wol Namen einiger Theilnehmer und Theil
nehmerinnen, in so fern es bedeutende sind, wenigstens zur stillen Freude
und Liebe zu wissen.


Noch einen frühern Dank als den letzten hab’ ich Ihnen für Ihren
Werner zu sagen, mit welchem Sie mich viel näher bekannt gemacht
und dadurch von manchen Seiten her ausgesöhnt haben. Hätten wir
nur mehre so lebendige Lebensbeschreibungen als blos zwei; und Sie
sollten der Freund von mehr als einem großen deutschen Schriftsteller
gewesen sein. Der gute Werner fiel, wie der noch kräftigere Hofmann,
in den poetischen Gährbottich unserer Zeit, wo alle Literaturen, Frei
heiten, Geschmäcke und Ungeschmäcke durch einander brausen, und
wo man alles findet, ausgenommen Wahrheit und den Glanz der Feile.
Beide hätten sich zu Lessings Zeiten am Studium reiner entwickelt.

Ich habe in meinem 62ten Jahre oft auf einen meiner Festtrinker
und Festtrunksprecher würdigen Streckvers gesonnen; aber noch immer
wollte nichts kommen.


Leben Sie wohl, mein lieber Theilnehmer, mit Ihrer trefflichen
Tochter und allen Ihrigen!

Ihr ergebenster
Jean Paul Fr. Richter

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 8. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1955.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Landesarchiv, Berlin. 3 S. 8º. K: Hitzig in Berlin 30 Apr. J 1: Vossische Zeitung, 17. Mai 1824, Nr. 115×. (Wiederabgedr.: ZerstreuteBlätter von J. P. Fr. Richter, gesammelt durch H. von Hohenlinden,Leipzig 1826, 1. Bd., S. 288, mit der falschen Angabe: Abendzeitung 1824.) J 2: Der Gesellschafter, 17. Dez. 1825, Nr. 201×. J 3: W. Dorow, Denkschriften u. Briefe, 5. Bd. (1841), S. 33. J 4: Jahrbuch des Vereins f. d.Geschichte Berlins, 1953, S. 132f. B 1: IV. Abt., VIII, Nr. 256. B 2: IV. Abt., VIII, Nr. 284. 257,1 die] aus manche H 7 her] nachtr. H 9 deutschen] nachtr. H 10 gute] aus arme H 13 Wahrheit und den Glanz der Feile] aus Fleiß H

Vgl. Nr. 377†. Hitzig hatte mit B 1 seinen „Lebensabriß Zacharias Werners“ (1823) übersandt, in B 2 eine von ihm (anonym) in der VossischenZeitung v. 1. März 1824, Nr. 52, veröffentlichte Einladung zur Teilnahmean einem Festessen, das zur Feier von Jean Pauls 62. (!) Geburtstag am21. März 1824 im Englischen Hause in Berlin stattfinden sollte. DerBericht über diese Feier in der Vossischen Zeitung v. 23. März, Nr. 71,nennt als Teilnehmer und Toastredner Hitzig, Chamisso, Fouqué, Zeune,Wolke, Heinsius, (Friedr.) Förster, Schulze (wohl Joh., 1786—1869, Geh.Oberregierungsrat), (Heinr. Friedr.) Link (Botaniker, 1767—1851),Musikdirektor (K. Fr. Ludwig) Hellwig (1773—1838), Ahlefeldt (vgl.IV. Abt. (Br. an J. P.), VIII, Nr. 291). In einem Brief vom 20. März 1823 ( H im Schiller-National museum, Marbach) lehnt Fouqué eine Einladung zum folgenden Abend ab, da er versprochen habe, an einer Feier von Jean Pauls Geburtstag im Englischen Haus teilzunehmen. Vermutlich hat er sich in der Jahreszahl geirrt. 257, 1 Schüller: vgl. IV. Abt. (Br. an J. P.), VIII, Nr. 99.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VIII_431.html)