Von Jean Paul an Carl August Böttiger. Bayreuth, 21. September 1816.

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Brieftext

Baireuth d. 21. Sept. 1816

Diese Hand werden Sie noch von alten Zeiten her kennen, wo
sie Ihnen jede Woche ein paar mal zu danken hatte für Ihre lite
rarischen Gaben und Darlehne. Der Überbringer meines Blättchen
ist ein Professor Wagner von hier, der wol durch seine philologischen
und pädagogischen Verdienste das Glück einer Empfehlung an Sie
verdient. (In meiner Levana hab’ ich ihm eine an das Publikum
gegeben.) Ich komme eben aus einem Examen, wo 11—13jährige
Knaben (worunter mein Sohn) sich nach täglichen 2 Privatstunden
bei Wagner (ohne eine andere Schule) so philologisch gerüstet im
Homer und Ovid etc.etc. herumtummelten, daß es tausend heutige
Autoren gibt, denen solche Waffenstücke der alten Kenntnisse zu
wünschen wären. Wagners Begleiter ist ein katholischer Pfarrer,
Oestreicher, ein Kunstanbeter; — also ein Bilderanbeter Dresdens.

Nun wollt’ ich, ich wäre unter den Empfohlnen und käme mit.
Ich hätte vielerlei von Ihnen zu verlangen — nämlich Belehrungen.
Indeß erst nach 3, 4 Jahren, wo ich meine sämmtlichen Werke bei
Cotta heraus zu geben anfangen will, werd’ ich Sie näher fragen,
wie dieß zu machen ist, bei so manchen Verlegern, gegen welche ich
als junger Autor zu dumm und die als Seelenkäufer gegen mich
zu pfiffig waren und denen ich bei dem magersten Honorar (Sie
riethen mir zuerst in Weimar zur Erhöhung desselben) keine Anzahl
der Abdrücke vorschrieb. Mein heroisches Mittel ist mein Be
wußtsein meines Rechts und ihres Gewinns — und dann, nach
ihnen und ihren Exemplaren nichts zu fragen, sondern heraus zu
geben.

Sie haben durch den Ausgang aus Weimar mehr vertauscht als
verloren; ich aber leider nur letztes. —


Sie sollten am ersten wenigstens Ihre opuscula omnia sammeln,
da gerade diese sich wieder an so zerstreuete opuscula gehängt wie
antike Siegelringe an Modeuhrbänder.

Dem verehrten Wolke schrieb ich nach Dresden den 24ten Mai,
aber ohne Nachricht des Empfangs.


Sie haben gewiß etwas Besseres von Wieland als seine ge
druckten Briefe — seine Briefchen mein’ ich; können Sie diese geben?


Der Himmel gewähre Ihrer unbegreiflichen Thätigkeit und
Ihrem gelehrten Erntleben einen Körper, der das Bücken und Tragen
auf den weiten Schnitterfeldern aushält.


Ihr
fortdankender
Jean Paul Fr. Richter

Textgrundlage

Jean Pauls sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 7. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1954.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Dresden. 4 S. 8°. K: Hofrath Böttiger in Dresden 21. Sept. J: Funck S. 172. 88,3 manchen] aus vielen H 21 Erntleben] aus Ernteleben H

Böttiger war Ostern 1804 von Weimar nach Dresden verzogen. 87, 26 Levana: § 156 (I. Abt., XII, 400). 88, 5f. Sie riethen mir zuerst in Weimar: vgl. Br. II, Nr. 337. 18f. Von dem 1813 verst. Wieland waren 1815 zwei Briefsammlungen erschienen. Von seinen zahl reichen Briefen und Billetten an Böttiger (jetzt in der Sächs. Landesbibl.) ist einiges in dem nach Böttigers Tode von dessen Sohn hgb. Werk „Literarische Zustände und Zeitgenossen“ verwertet.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VII_223.html)