Von Jean Paul an Heinrich Voß. Bayreuth, 12. Oktober 1819.
Brieftext
Mein Heinrich! Ob mir gleich in einigen Tagen Miedel
ein
Blättchen von dir bringen wird: so muß doch dieses früher
fort.
Die Herzogin von Kurland verweilt einige Tage bei
Euch. Bringe
dieser Allgeliebten (ich habe ihr deinen Besuch schon
versprochen)
meine wärmsten Nachwünsche und die
herzlichsten Liebe-Erklärungen
meiner Frau, welche beinahe in
den Gasthof gegangen wäre, um
einen zweiten Abschied von ihr zu nehmen. Jetzo kommt nun
meine
Bitte an dich. Sie und die Gräfin Chassepot haben mir versprochen,
einen Aufsatz von mir, den ich in Löbichau gemacht, „Gedanken vor
dem Frühstück und vor dem Nachtstück“, auszupacken und ihn
mir in
Heidelberg abschreiben zu lassen. Ich traue aber einem
vornehmen
Gedächtnisse sehr wenig. Sei du also eines für die Gräfin
und erin
nere sie an ihr Wort. —
Dem Grafen von Medem gib dieses Stamm
buchblättchen.
Deinen Lear hab’ ich mit großer Freude über deine
Sprachsiege
— einige Härten der Kürze und der Dunkelheit abgerechnet —
durch
gelesen. Nächstens mehr. —
Ständen doch immer die nachweisenden
Nummern der
Noten im Texte! Durch euere Keckheit, den einsyl
bigen Britten in einen einsylbigen Deutschen zu verwandeln,
gewinnt
unsere Sprache wahrhaft, deren Wasser andere so wenig wie
das
physische einer Zusammendrückung fähig halten. Den
Brief an
deinen Abraham lass’ ich durch deine Hände gehen.
Ich grüße
die Deinigen.
J. P. F. Richter
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VII_584.html)