Eiligst, da der gewöhnliche Neujahraufsatz
für das Morgenblatt drängt.
Baireut d. 13. Dec. 1819
[Montag]
Meine geliebte Karoline! Wir haben alle deine Briefe erhalten, den aus Berlin schon Sonnabends. Meine Reisequal um dich
ist nun
überstanden; zurückwärts mit Betty
geht es dann leichter. Ich
schreibe dir schon wieder, ob du gleich erst Sonnabends den
Katalog mit den Briefen mußt erhalten haben; aber
ich und die Kinder haben
Sehnsucht, dir nahe zu sein und in deine Einsamkeit, welche
dir doch — wie mir sonst meine — mitten unter allen Freuden
bleiben wird, deine Altliebenden zu bringen. Lasse mich, wie
gewöhnlich, alles Fremdartige, ohne anderes Band als den
Gedankenstrich, zusammen her werfen. — Die drei Kinder sind gesund, ich für den Winter
auch genug. — Deine Minna hat jetzo einen harten Gang;
aber
du hättest sie nach Berlin
mitzwingen sollen. Gut ists fast, daß die
neue Wunde in die alte kam ohne Zwischenraum. — Langermann empfange von mir den Gruß des Herzens und der
Hochachtung, aber auch den Vorwurf der verstummten Liebe;
scheide nicht aus Berlin ohne ein Blättchen von ihm, womit er mir seine
Genüsse bei dir bezahlen soll. — Dein Zurücklegen des
Briefes an Reimer war klug, gib ihm ihn aber doch, weil er mehr Haug betrifft.
Langermann soll mir indeß bei dessen Zahlungunfähigkeit
die
Übernahme so vieler Verlagartikel erklären. — Die F. v. d. Recke ist begeistert von dir. — An die verehrte Ompteda schreib’ ich gewiß
noch. — Nur dein Dresdner Brief bekam Mitleser, sonst
keiner. —
Unter den Preis sollen
wo[l] keine Bücher versteigert werden;
nur
mußt du nicht so viele nehmen, daß du sie wieder deiner
Minna ab
kaufen mußt. Die allgemeine Historie
aller Reisen kannst du nehmen,
wenn Minna ein ähnliches Werk nimmt. — Das Dictionnaire von de Veaux bringe im Wagen mit.
Schicke mir doch mehre Probeabschnitzel von glattem
Schreibpapier; du sollst mir rechtes mitbringen. — Emma fährt in den alten Haushalt-Verdiensten fort
und gewinnt ordentlich Vorliebe dafür und kocht Neues nach
Koch büchern. Also für mein Leibliches
wäre wol gesorgt; aber mein Geistiges erwartet und fodert
dich, meine Seele. Wie wärest du mir in meiner
Wintereinsamkeit so nöthig und erquicklich! Heiter und warm
werden unsere nächsten Wintermonate sein. — Grüße unsere
warme geliebte Freundin und den Jüngling-Mann Julius! — Komme nur gesund zurück, weiter bitt’ ich Gott um
nichts.
Dein alter Richter
Verschiebe deine Rückkehr nicht zu lange; die Kälte des Januars wird nach allen Prophezeiungen sehr hart werden, und dann
mein Leiden auch.
Der alte Welden sprach mir mit größter Liebe von dir und mit
Angst, du werdest später Baireut zu unbedeutend finden.
Textgrundlage
Jean Pauls sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte
Abteilung, Band 7. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1954.
Kommentar (der gedruckten Ausgabe)
H: Berlin JP. 2 S. 8°. J: Nerrlich
Nr. 182. B1: IV. Abt., VII, Nr. 232. B2: IV. Abt., VII, Nr. 235. A: IV. Abt., VII, Nr.240. 321,3 her werfen] aus knüpfen 6
kam] aus kommt
12 dessen] aus dieser 15 Nur dein] aus Dein letzter 22 Emma] davor gestr.
Die (vgl.271,6†)
Angekommen 18. Dez. 321, 4—6 Minnas einjähriges Söhnchen war am 3. Dez. an
Krupp gestorben (vgl. 322, 15).
10—13Langermann
hatte sich zu Karoline ungünstig über Reimer
geäußert, der ein Deutschtümler sei, Schulden habe, sich übernehme und
mehrere, z. B. Tieck, getäuscht habe; sie hatte daher Jean Pauls Brief an
ihn (Nr. 599) vorläufig zurückbehalten. 14f.
Karoline hatte ihn dringend gebeten, der Ompteda, die
sie in Berlin besucht hatte, zu schreiben; s. Nr. 612. 15Mitleser: Karoline hatte gebeten, ihren Brief (B2) ja niemandem zu zeigen; vgl. Nr. 613. 16—20 Die Bibliothek des alten Mayer sollte verkauft
werden, aber große Reisebeschreibungen, z. B. die vielbändige „Allgemeine Historie der Reisen“ (1748), geschichtliche und ästhetische Werke wollte Karoline
behalten. J. C. de la
Veaux, Dictionnaire français-allemand et
allemand-français, Braunschweig (Vieweg) 1807 u.ö.