Von Jean Paul an Ludwig Christian von Oertel. Bayreuth, 21. Juli 1815.
Brieftext
Wie soll ich dich nennen, alter guter Schweiger, gegen welchen
ich, wenigstens mit Druck Buchstaben, der ewige Sprecher bin?
Aber jetzo hab’ ich einen Plan, dich zum Sprechen zu zwingen
— ich
will nämlich selber kommen und folglich mit dir reden.
Schon seit
2 Jahren trag’ ich mich mit dem Entwurfe, nach R[egensburg]
zu
reisen und da 1 Monat zu verleben — und zwar so, wie
ich es früher
in Erlangen und Nürnberg gemacht: ich miethe mir nämlich, um
ganz frei zu bleiben, ein Zimmerchen mit einem schlechten
Kanapee
und guten Bette und esse im Gasthof und — damit
gut. — Nur muß
ich vorher von dir wissen — also wirst du doch
ein Paar Worte
früher schrift- als mündlich zu
sprechen haben —, ob der Fürst etc.
nicht jetzo die verdammten Badreisen gemacht, die einem
monatlang
jedes Reisen verleiden, Badreisen ausgenommen.
Wär’ es indeß
und wären beide nicht zu Hause und überhaupt
manche bedeutende
Menschen nicht (z. B. die Gräfin Schlitz),
welche ich so gern öfters
zu sehen wünsche: so verschieb’ ich meine Reise bis
in den Wein
lesemonat hinein, um den
Himmel und die Trauben in der Donau
zu beschauen ... Meine ganze Familie grüßt dich. Sie
knospet
und blüht; ich aber werde leider nichts anders als fett.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VII_73.html)