Von Jean Paul an Karl Ludwig von Knebel. Bayreuth, 22. Januar 1809.

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Brieftext

Bayreuth d. 22 Jenn. 1809

Mein alter, aber nie veraltender Freund! — Ich komme auch
wieder zu Ihnen; gebe der Himmel, daß Sie, da Sie leichter und
schneller Ihre Thüre öffnen als einen Brief, mich nicht lange
draußen vor letzterem stehen lassen; denn ich wünschte gern bald
Ihre Antiphonie, d. h. Ihre Antwort — — — Und zwar nicht blos
auf einen Brief sondern auf eine ordentliche Frage zugleich. Nämlich
ich arbeite eben eine Fortsetzung der Friedenspredigt zu Ende, obwol
unter anderem Titel und Kleide. Die moralischen und politischen
Grundsätze allein sind die vorigen. Ich wünsche nun so gern dem
Erbprinzen und seiner Gemahlin, welche beide mir wolwollen wie
ich weiß, das Werkchen zuzueignen. Gleichwol wünscht’ ich vorher
eine kleine Absage oder Zusage von — Ihnen dazu, wobei Sie un
kompromittiert
bleiben wie sichs versteht; d. h. einen Rath.
Wer kennt Weimar außerhalb Weimar? Kaum einer in Weimar.
— Auch hat die Zueignung nicht sowol das fürstliche Paar als
Weimar selber zu bedenken, da im Werkchen leider Gottes, Gott
selber oft genug vorkommt; wobei mich nichts entschuldigen
könnte, wenn ich nicht voraussetzte, Gott sei für Weimar ein Bi
schof in partibus infidelium.


Ohne alle Satire ist freilich das Werkchen so wenig als die
Friedenspredigt; aber diese letztere ist ja schon verziehen worden?

Entweder ich hörte oder las neulich, daß Sie Ihren Lukrez her
ausgeben wollten. Dieß gebe ein lebendigerer Gott als der, den er
und Sie — übersetzen!


Vor einigen Wochen las ich erst Werners Luther. — Aber er
hat mich bei allem meinen ästhetischen Kosmopolitismus erzürnt.
Ein solcher Luther — eine solche Elisabeth — nach der Geschichte
und nach Göthens Götz! — Werner ist ein abgewebtes Stückchen
Zeit; er aber wird die Zeit nicht weiter weben. Sogar Collin in
seiner Wasser- und Leibes-Dürre zieh’ ich vor.


In der Oster Messe erscheinen 2 Werke von mir; Schmelzle’s
Reise halt’ ich für mein ausgearbeite[t]stes im Komischen. Auch
Katzenberger ist mir und (hoff’ ich) Ihnen lieber als er Weibern
sein kann.


Bald ein Zuwort, lieber Freund, dessen neulichen Logogryph
Ihre Freunde nicht verfehlen konnten. Meinen Gruß an Ihre
Gattin von mir und meiner.

Jean Paul Fr. Richter

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Kestnermuseum, Hannover. 4 S. 8°. K: Knebel 22 Jenn. i: Wahrheit 7, 144 (ohne Datum). J: Knebel Nr. 10. A: IV. Abt., VI, Nr. 6. 6,31 wünsche] aus möchte H 7, 2 d. h. einen Rath] nachtr. H 4 nicht sowol] aus weniger H 6 oft genug] aus weniger H 7 könnte, wenn ich nicht voraussetzte] aus kann, als daß ich annehme H 17 abgewebtes] nachtr. H

Erbprinz und Gemahlin: Carl Friedrich und Maria Paulowna von Sachsen-Weimar, s. Nr. 189—191. Knebel antwortete, beide seien zur Zeit in Petersburg; wenn sie zurück seien, wolle er gern Jean Pauls Verlangen erfüllen. (Dies scheint aber nicht geschehen zu sein.) Zu „Verlangen“ hat Jean Paul angemerkt: Ich fragte blos, ob die Grundsätze der Friedenspredigt die fürstlichen wären. Lukrez: Knebels Übersetzung erschien erst 1821. Zacharias Werners „Martin Luther, oder die Weihe der Kraft“ war 1807 erschienen; vgl. I. Abt., II, 10, XI, 382, XIV, 145. Es kommt darin zwar eine Elisabeth (Cotta, Luthers Erzieherin) als Engelserscheinung vor (V, 2); Jean Paul meint aber offenbar Katharina von Bora, eine Namensverwechslung, die sich aus seiner Vorliebe für die Frau des Götz von Berlichingen in Goethes Schauspiel erklärt (vgl. I. Abt., IX, 352, XVI, 329); s. 55, 31ff. Collin: Jean Paul denkt wohl an den älteren der beiden Dramatiker, Heinrich Joseph v. C. (1772—1811). Logogryph: ein Worträtsel auf den Namen Knebel (Nebel), das Knebel seinen in Bayreuth lebenden Nichten geschickt hatte.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VI_17.html)