Von Jean Paul an Josephine von Sydow. Weimar, 10. August 1800.
Brieftext
Josephine! In Berlin, in das ich ohne Sie nicht so früh
gekom
men wäre, werd’ ich den künftigen
Herbst und Winter wohnen.
Sie sehen, Theuere! wie sehr ich recht hatte, so oft zu hoffen.
—
Schöne Stunden der Freundschaft werden uns jezt
kommen und
Sie werden weniger opfern müssen, Ihrem Herzen
zu folgen und
meines zu beglücken. Sie sehnen Sich in
meine Gegenden herein;
ach und ich sehne mich aus ihnen
heraus: ich habe hier wenige
Freuden, ausser denen der Hofnung.
Von Caroline bleibe ich getrent; aber obgleich nicht unsere
Hände, so sind doch unsere Seelen vereinigt — wir leben
in
Briefen und in Theilnahme beisammen, und uns fehlet
blos das
Band der Ehe, das ohnehin selten aus der Binde Amors ge-
sponnen ist.
Nach Michaelis werd’ ich nach Berlin ziehen.
Barleben — mit seinem Wintergesicht und seiner gefrornen
Zunge — hat in der Brust ein Frühlingsfeuer und mit
diesem
entwarf er mir das holde und wahre Bild, das von
Ihnen in seiner
Seele steht.
Lauter Arbeiten (die Nachwehen meiner langen Berliner Ruhe)
und nöthige Reisen schlagen mir die Freude, länger mit
meiner
Josephine zu reden, ab; die ich aber jezt bei
der Hofnung einer
schöneren Zukunft leichter entbehre.
—
Wer ist jenes gute Wesen, von dem Sie schreiben, daß Sie
mit ihm von mir reden dürfen?
Eine tönende Aeolsharfe steht an meinem wehenden Fenster,
die Töne wallen auf und nieder, bald wie Seufzer, bald
wie
Freudenrufe, und eine unsichtbare Hand greift auf
den Saiten
die Melodien unseres Innern. —
Lebe wohl, meine Theuere! — Nie vergess’ ich dein edles Herz,
dein schönes treues Auge, und die Minuten der heiligsten
Liebe.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_500.html)