Von Jean Paul an Caroline Herder. Hof, 8. Juni 97.
Brieftext
Der hängende Garten der menschlichen Freude ist gerade das
Gegentheil der englischen Gärten und Parks: wenn wir jenen ver
loren haben und er kein Laub und keine Blüten mehr für uns
bewegt,
so schwebt er uns grösser und blühender vor, anstat
daß mir immer
der beste englische Garten und seine Inseln im
Herbste nach der Ent
laubung dreimal kleiner vorkamen.
Sie wissen die Anwendung, Unvergesliche, und die Gleichzeitigkeit
meines vorigen Himmels und dieses jezigen Briefes macht die
An
wendung Ihnen leichter und mir
beklommener. — Ach es ist leichter
für gewisse Menschen
vergessen zu werden, als zu vergessen! Der
Himmel kan Ihnen für
meine Stunden bei Ihnen keine höhere Be
lohnung geben als — eben solche Stunden.
Der H. Präsident ist, so viel man mir geschrieben, auf einer Reise
unweit Leipzig: wenig hätte gefehlt, so hätt’ ich sie
nachgemacht.
Ich wünsche diesem grossen Genius wenigstens eine
eingebildete
Krankheit, damit er nur wieder durch Hof nach Karlsbad gienge und
der Seele wieder begegnete, die ihn so unaussprechlich
liebt.
Ich wünsch’ Ihnen jezt nichts als was der Engel Michael verlor im
Kampfe gegen den Teufel — nämlich eine Feder, damit Sie nicht
so
wohl mich an Sie erinnern — dazu
reicht mein Herz und Dank schon
hin — als Sich an mich. — Glüklich, glüklich lebe und bleibe Ihre
schöne Seele!
Fr. Richter
Vergeben Sie den Einschlus: Fr. v. Kalb ist zwar in Kalbsrieth,
aber die Posten hier kennen nicht einmal Arteren darneben; und ich
bitte Sie, das Paquet in ihr Haus in Weimar zu senden.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_634.html)