Von Jean Paul an Erhard Friedrich Vogel. Hof, 11. April 1782.
Brieftext
Hocherwürdiger und hochgelerter Herr,
Hochzuvererender Herr Pfarrer,
Ich danke Ihnen gehorsamst für das Buch, das ich Ihnen hier
zurükschikke; und noch mer für die Vergnügungen, welche mir neulich
Ihre Gastfreundlichkeit und am meisten Ihre angeneme
Geselschaft
gewärte. Spiegel’s Verse
sind in Rüksicht ihrer Gedankenfülle, ihrer
Bilder, ihres Ausdruks vortreflich. Es ist nur Schade, daß es
so wenig
Dichter von diesem Schlage, und so wenig Gedichte von
diesem
Dichter giebt. Seine poetische Traurigkeit ist mir
unendlich lieber, als
der sinlose Trost vom Hern R. in
M. Der Montaigne ist zu dik, zu
schwer und zu schön, als daß ich ihn in dieser kurzen Zeit
hätte durch
lesen können: Sie werden mir ihn
also noch eine kleine Zeit gütigst
überlassen. — So wie sonst
nach meinem Dank für die zurükgeschikten
Bücher die Bitte um
neue folgte: so folgt sie auch iezt um folgende:
Herzens —
Mein Dank mus mit Ihren Woltaten zunemen; aber mus es nicht
auch
meine Scham mit meinen wiederholten Bitten? Ich getraue
mich
daher kaum, Sie um iene Bücher zu bitten. —
Um die Fortsezzung Ihrer Kritik, die zenmal besser ist als das
kritisirte Buch, darf ich Sie kaum bitten. Aber darum mus ich Sie
bitten, daß Sie Ihrer vortreflichen Gattin meine Empfelung
machen,
meinen Dank abstatten und zugleich sagen, daß ich, in meinem
Lobe,
nur aus einem Versehen der schönen
Augen, und nicht der schönen
Selen des zweiten Geschlechts gedacht habe. Diese Schönheit der
Sele, die iede andre überwiegt und sich nur durch Woltun
äussert, ist
die Ursache von den Woltaten, mit denen Sie
und Ihre Gattin mich
immer überhäufen und für die mein Dank zu klein, und nur meine
Rürung gros genug ist. Ich bin
Ew. Hocherwürden Hof, den 11. April 1782.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/I_22.html)