Von Jean Paul an Erhard Friedrich Vogel. Hof, 28. Juni 1783.
Brieftext
P. P.
Hochzuver[er]ender Her Pfarrer,
Ich verstehe Ihren lezten Brief nicht volkommen; allein auf das,
was ich erraten, mus ich antworten. Wenn mich meine Beobachtung
nicht ganz trüget, so sind Sie darum unwillig auf mich, weil es
Ihre
Freunde sind und Sie würden eine solche Kleinigkeit, wie
eine Klei
dung ist, Ihrer Bemerkung nicht
gewürdigt haben, hätten es nicht
andre getan. Diese „andern“
würd’ ich darum hochachten, weil Sie
sie
zu achten scheinen; allein diese Herren von Schwarzenbach
ver
dienen, soviel mich eigne kurze
Erfarung und fremdes Urteil geleret,
Ihre Achtung sowenig, daß
ich zu dem Hern Vogel und dem Hern
Völkel und dem Hern Kletterer in Rüksicht meiner sagen könte:
„Lieben Leute! die ihr euch in einem unbekanten Winkel der Welt
auf
„blaset, weil alle übrige Frösche,
die um euch sizen, sich nicht so dik auf
„blasen können, und weil ihr die Nachtigallen, die ihr aus
ienen
„Gebüschen schlagen höret, mit Quakken akkompagnirt, stat
daß eure
„schlechtern Brüder die Oren in Schlam eingraben —
lasset doch einem
„andern seine Narrenkappe, ungeachtet sie der
eurigen wenig gleichet;
„eure wäre ia für meinen Kopf zu eng
geschnitten und eure Verbrä
„mung
derselben nachzuamen verbietet mir mein Beutel. Ihr liesset auf
„eure Schellen einen schönen Affen mit einem langen Schwanz nach
„dem Leben stechen; haltet mich aber darum für keinen Affen,
weil ich
„auf die meinigen einen bessern Affen, nämlich einen
Urangutang
„gepräget. Ihr sagt ia so oft, ieder Mensch darf
seine eigne Vernunft
„haben; warum sol nicht ieder auch
seine eigne Narheit haben?“ —
Verzeihen Sie mir diesen Ton, den
Sie in kurzem vielleicht selbst
anschlagen werden. Ich bin
diesen Leuten so feind, weil sie die
Veranlassung Ihres kleinen
Unwillens gegen mich geworden und
ich mus dem meine Liebe
versagen, der mir die Ihrige stielt. Auch
schikke ich
Ihnen zugleich eine gedrukte Verteidigung des alchymisti
schen Buchs „Annulus Platonis“ die
Her Doppelmaier herausgegeben.
Lesen Sie die lezte Seite dieser Piece;
und vergleichen Sie sie mit der
Note der 23. Seite meiner satirischen Skizzen. Ich sage kein Wort
mer darüber! — Die Zurüksendung bitte ich mir schon auf heute
wieder
aus, da man es mir nicht länger geliehen.
Für alles das, was ich hiemit zurükschikke, sag’ ich Ihnen meinen
Dank, der desto grösser sein mus, da Sie zu der Zeit gütig waren, wo
Sie unwillig waren, und Ihre Woltaten mir da nicht entzogen, wo
ich sie wenig zu verdienen schien. Wenn Sie unter Einweihung
die
Erweiterung der Kentnisse, wie gewönlich, verstehen: so hab’
ich aus
den zurükgeschikten Exzerpten soviel gelernt, daß
ich wert bin, aus den
übrigen auch noch etwas zu lernen. — Darf
ich zu diesem allem noch
meine gewönliche Bitte um Bücher
hinzufügen? Nämlich um
Schrökhs Kirchengeschichte.
Leben Sie wol und verzeihen Sie Feler, die man oft sich selbst nicht
verzeiht,
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/I_50.html)