Von Jean Paul an Henriette Freifrau von Ende. Löbichau, 3. September 1819.
Brieftext
Guten Morgen, verehrteste Freundin! — Darf man aber dieß
wagen zu schreiben an einem Tage, der ein Freitag ist? Und wird
dieses Blatt nicht auch das Opfer des Plaggeistertags werden und
Ihnen ein Misvergnügen bringen? Bringt es Ihnen keines: so
hat
schon Ihr System ein Bischen Unrecht. „Aber dann hab’
ich ja
gleich am frühen Morgen das Misvergnügen, mich geirrt
zu
haben“ können Sie noch sagen.
Auf dieser Seite will ich Sie blos um das Versprechen Ihres
Briefblättchen für meine geliebte Karoline bitten; und noch
um
eine mündliche Nachricht, an welchen Tagen und Tagstunden
die
Briefe auf die Post gesendet werden. — Himmel! welch
ein Himmel
war wieder gestern abends! Aber wie verrieselt
auch hier die Zeit
so unvermerkt. Man denkt immer, man sei
kaum angekommen. Die
Zeit muß hier in ihrem
Stundenglas den feinsten durchsichtigsten
Sand haben, den
man nicht laufen sieht und hört. Einen Morgen
gruß an [Ihren]
lieben Sohn!
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VII_570.html)